Hand aufs Herz: Wie offen redest du mit deinem Partner über Sex? Wir mutmaßen mal dreist: wahrscheinlich viel zu wenig. Dabei ist es so wichtig für die weibliche Lust!
Fakt ist: Die meisten von uns (Frauen) haben Hemmungen, freiheraus darüber zu sprechen, was sie sich im Bett wünschen und was sie in Sachen Sex beschäftigt. Woran liegt das? Und warum sollten wir das unbedingt ändern? Wobei letztere Frage schnell zu beantworten ist: Natürlich, weil wir dann (endlich alle) besseren Sex haben! Ist doch klar!
In „The Principles of Pleasure“ dreht sich im Kern genau alles um diese Themen. Die Netflix-Doku soll ermutigen, Wissenslücken schließen, Irrtümer beseitigen und auch gegenseitige Toleranz fördern. Frauen verschiedenen Alters, unterschiedlicher Religion und sexueller Ausrichtung (darunter eine Sextoy-Verkäuferin, Forscherinnen, Sexualpädagoginnen sowie Autorinnen) erzählen darin von ihren eigenen sexuellen Erfahrungen, Beziehungen und Gedanken zu Sex im Allgemeinen. Zudem erläutern Wissenschaftler, was weibliche Lust eigentlich ist und was im Körper dabei passiert. Wir haben uns die Serie angesehen. Folgende (teils erschreckende) Dinge sind uns dabei besonders im Kopf geblieben:
Wir haben enorme Wissenslücken
Frauen wissen heutzutage genauso viel über Sex wie Männer? Denkste! Was uns beim Anschauen der Serie „The Principles of Pleasure“ immer wieder aufgefallen ist, ist, wie wenig Frauen (angeblich) über ihre eigene Sexualität bzw. die sexuellen Funktionen ihres Körpers zu wissen scheinen. Kleine Stichprobe gefällig? Dann sag uns doch mal, ob du aus dem Stegreif den Aufbau deiner Vagina erläutern kannst! Wir mutmaßen erneut: wahrscheinlich eher nicht – wie viele von uns. Wiederholung gefällig? Wenn nicht, kannst du den nächsten Absatz natürlich überspringen. Für alle anderen haben wir ein kleines Namedropping vorbereitet:
Wir wissen zu wenig über unsere Vagina
Die Vagina ist eine von drei Körperöffnungen. Sie verändert sich beim Eindringen in ihrer Flexibilität (ob durch einen Penis oder z. B. bei einer gynäkologischen Untersuchung). Der Venushügel ist der Bereich, den du siehst, wenn du dich im Spiegel betrachtest. Er liegt über dem weiblichen Schambein und fängt da an, wo die äußeren Schamlippen zusammenlaufen. Die sind übrigens meist unterschiedlich groß, lang und verschiedenfarbig. Dahinter sichtbar: die Klitoris-Vorhaut (ja, Frauen haben auch so eine), ein Hautlappen, der die Klitoris schützt. Die Klitoris selbst (sie ist nicht etwa klein wie eine Erbse) besteht u. a. aus der Eichel sowie aus zwei langen zwiebelartigen Schenkeln, die sich tief unter der Oberfläche in dein unteres Becken erstrecken. (Gib’s zu, das hast du nicht gewusst!) Zu den „Zwiebeln“ gehört Schwellkörpergebe, das sich als Reaktion auf Stimulation mit Blut füllt und erigiert. Und für alle G-Punkt-Suchenden: Ihr könnt damit aufhören. Entgegen allgemeinen Vermutungen gebe es, so zumindest die Macherinnen der Doku, nämlich keinen ausgeprägten Ekstase-Knopf im Vaginalkanal. Allerdings könne die innere Klitoris bei Erregung gegen die vordere Wand bzw. die Vagina drücken und ein solches verwechslungsfähiges Ekstase-Gefühl auslösen.
Wir schämen uns zu sehr
Woran liegt es, dass vor allem wir Frauen so ungern über Sex reden? Laut den Experten der Mini-Doku mitunter auch daran, dass wir zur Verschwiegenheit erzogen wurden. Wohingegen Jungen meist schon früh vermittelt bekämen, dass es vollkommen normal sei, bestimmte „Bedürfnisse“ zu haben, werde vielen jungen Frauen – je nach Herkunft und Religion unterschiedlich streng – eingebläut, sich besser nicht zu direkt über ihre Sexualität zu äußern. Kommt dir das bekannt vor? Überleg mal, wie das in deiner Jugend war. Die Crux: Dieses „Mundtotmachen“ erzeugt Scham, und die wirkt sich dann auf unser ganzes sexuelles Leben aus. Es ist also höchste Zeit, offener zu reden!
Wir brauchen mehr Sexualpädagogik
Um das Thema Sex – vor allem auch für Frauen – zu enttabuisieren, bräuchten wir, so die Macherinnen der Serie, mehr Sexualpädagogik – inklusive des Aufdeckens verstaubter schwachsinniger Sex-Mythen. Gibt es doch gar nicht mehr, sagst du? Leider doch. Und zwar eine Menge. Wir sagen z. B. nur: „Jungfernhäutchen“. Der Mythos des sogenannten „Frischesiegels“, das anzeigen soll, ob eine Frau noch Jungfrau ist oder nicht, hält sich auch heutzutage immer noch hartnäckig. Ja, das Jungfernhäutchen (eigentlich ein Schleimhautsaum und besser Vaginal-Kranz genannt) kann reißen, aber es ist danach nicht unwiderruflich kaputt. Es ist dehnbar und kann wieder zusammenwachsen. Es umrahmt den Eingang der Vagina, aber verschließt sie nicht. Bei vielen Frauen geht es sogar gar nicht kaputt, obwohl sie ein erfülltes Sexleben haben. Kaputt ist hier also eher der festsitzende Irrglaube.
Wir sollten achtsamer (mit uns) sein
Eine Frage, die Sexualtherapeutinnen laut der Serie tatsächlich häufig von Frauen gestellt bekommen, ist: „Bin ich normal?“ Das Problem der heutigen Zeit ist nur, dass uns auf so gut wie allen Kanälen – vor allem in den sozialen Medien – suggeriert wird, dass, egal, worum es geht, es immer irgendwo irgendwer besser macht als wir. Was gegen die Selbstzweifel (die so gut wie jede von uns hat) helfen kann, sind Achtsamkeits- oder Körperübungen. Wie zum Beispiel diese hier, die in „The Principles of Pleasure“ vorgestellt wird:
Übung: Betrachte dich für ein paar Minuten nicht im Spiegel und schreibe dir die Dinge auf, die du an dir magst. Egal, ob es deine Zähne, deine Haare oder deine Sommersprossen sind. Wiederhole diese Übung so oft du kannst, am besten jeden Tag. Du wirst merken, wie du deinen Körper von Tag zu Tag mehr lieben wirst.
Wir schätzen Lust falsch ein
Viele glauben, dass Lust eine rein körperliche Empfindung ist. Wenn wir Schwierigkeiten haben, zum Orgasmus zu kommen, hat das aber, so die Macher der Netflix-Serie, meist psychische und seltener körperliche Gründe. In der Realität findet Lust nämlich im Gehirn statt. Unser Gehirn empfängt rund um die Uhr Signale vom Körper und trifft dann die Entscheidung: gefällt mir oder gefällt mir nicht. Heißt: Was in unserem Gehirn vor sich geht, hat einen großen Einfluss darauf, ob diese Empfindung (z. B. ein Geruch oder Geräusch) uns erregt oder nicht. Unsere Körper-Geist-Verbindung ist essenziell für den Zugang zu Lust. Und niemand ist mit einem festgelegten Maß an Lust geboren.
Wir sind zu (selbst-)kritisch
Aber manchmal, auch wenn – oder gerade weil – unser Hirn auf Hochtouren läuft, will es dann erst recht nicht klappen mit der Lust. Das kann daran liegen, dass wir einfach nicht in Stimmung sind, unsere Gedanken ganz woanders haben oder aber daran, dass, wir viel zu kritisch mit uns sind. Dann flüstert uns unsere innere Stimme, während wir uns aus der Perspektive einer dritten Person selbst beobachten, fiese Dinge ins Ohr. Wie zum Beispiel: „Bisschen mehr Gas geben könntest du schon!“ und „Warum machst du bloß so ein komisches Geräusch?“. Das kennst du sicher auch, oder? Die Wissenschaft nennt diesen Zustand bewertender Selbstkritik „Spectatoring“, was so viel wie „Zuschauen“ meint. Klar, dass uns das ständige Gequatsche jede Lust nimmt.
Wir haben keine Ahnung, warum es „kribbelt“
Ein Orgasmus hat so viele tolle „Nebenwirkungen“. Schon alleine deswegen sollten wir öfter einen haben. Haben wir nämlich einen Orgasmus, werden in unserem Körper u. a. Endorphine freigesetzt, die Cortisol ausschütten, was Stress abbauen kann. Das schützt nicht nur unsere Gesundheit, sondern fördert auch unser Wohlbefinden und unseren Selbstwert. Wissenschaftler glauben sogar, dass ein Zustand sexueller Erregung bei der Bewältigung allgemeiner Ängste helfen kann. Aber was passiert eigentlich genau bei einem Orgasmus? Die Teilnehmerinnen der Serie beschrieben zwar das Gefühl, einen Orgasmus zu haben („es ist so ein komisches Gefühl“ und „es kribbelt“), aber konnten nicht erläutern, was im Körper dabei passiert. Tatsächlich besteht ein Orgasmus aus mehreren Kontraktionen, die im Abstand von ca. einer Sekunde im gesamten Becken auftreten. Im Schnitt sind es drei bis zwölf, es können aber auch noch mehr sein. Sei ehrlich! Hast du das gewusst?
Wir wissen nicht, wann wir einen Orgasmus haben
Auch wenn der Körper einer Frau während des Orgasmus auf Hochtouren läuft, können viele Frauen oft nicht einschätzen, ob sie gerade einen Orgasmus haben oder nicht, so die Macher der Serie. Sie behaupten tatsächlich: Wenn Frauen denken, sie hätten einen Orgasmus, hatten sie in den meisten Fällen keinen; Männer hingegen lägen meist richtig, wenn sie glauben, dass wir (Frauen) zum Höhepunkt gekommen sind.