Wenn eine Frau ein Bild ihres Körpers postet, bleibt dies meist nicht lang unkommentiert. Nackte Haut bietet Projektionsfläche für Sexismus und Body Shaming. Und zeigt: Körper sind politisch!
Lange war es für weiblich gelesene Personen unvorstellbar, ihre nur leicht bekleideten Körper in den sozialen Medien zur Schau zu stellen. Erzürnte Stimmen ereiferten sich bei einem zu unausgeglichenen Stoff/Haut-Ratio sofort: Anbiedernd sei das und unseriös, ein Betteln für Komplimente, und die Urheber*innen meist sowieso Flittchen. Social Media offenbarte ganz deutlich ein Problem, das der Gesellschaft schon lange zugrunde liegt: Die Sexualisierung von (insbesondere weiblich gelesenen) Körpern. Durch die Selbstdarstellung auf digitalen Plattformen ist dieser Mechanismus noch deutlicher zutage getreten – ein freizügiger Post hat Konsequenzen. Frauen kämpfen seit Jahrzehnten hart für körperliche Selbstbestimmtheit, in und abseits der sozialen Medien. Und auch wenn es eine Illusion ist, zu glauben, hier wären große Gewinne zu verzeichnen, ist doch spürbar, dass Frauen freier mit ihren Körpern auf Plattformen wie Instagram und auch im analogen Alltag umgehen können. Allerdings gibt es einen blinden Fleck: Ein unbeschwerter Umgang mit Freizügigkeit ist nur für “normschöne” Körper teils möglich. Für dick_fette Menschen gibt es noch weitere Hürden zu überwinden.
Unfreiwillig aktivistisch
Wenn mehrgewichtige Personen ihre Körper auf Social Media zeigen, wird das schnell als politisches Statement verstanden – als wäre es ein radikales Zugeständnis, ein Foto von sich zu posten. Etwas, das für Millionen andere Menschen Alltag ist, wird bei dick_fetten Personen in mehr als einer Hinsicht politisiert. Dabei geht es darum, einfach nur existieren zu wollen, auf digitalen Plattformen und auch im realen Alltag stattfinden zu wollen, ohne eine bestimmte Message zu senden. Neben der Sexismus-Falle gibt es hier noch das Thema “Diet Culture” und die engen Schönheitsideale unserer Gesellschaft, die freigelegten dick_fetten und “unkonventionellen” Körpern sofort tausende “Mängel” attestieren.
@dariadaria: Körper sind politisch!
Die aktivistische Influencerin und Unternehmerin Madeleine Darya Alizadeh @dariadaria griff das Thema erst kürzlich in einem Instagram-Post auf. Zuvor hatte sie einen Schnappschuss von sich in ihre Story geteilt, freudestrahlend und Aperol schlürfend saß sie in einem Bikini am Pool. Die Reaktionen: “Danke, dass du deinen Körper zeigst”, “Dank dir bin ich fine mit meinen Dellen” und “Cellulitelove”. Hervorgehoben wird Madeleines Cellulite, ihr Körper wird kommentiert und bewertet und ihr vermeintlich harmloses Urlaubs-Posting als mutig gefeiert. Gemeint war das Foto jedoch nicht als Body-Positivity-Statement.
Madeleine schreibt:
“Manchmal bin ich naiv. Weil ich mir denke, so ein Schnappschuss vom Pool, das Foto vom Körper einer Frau im Urlaub, das ist doch nicht politisch. Und dann sehe ich die Nachrichten, die Kommentare und werde eines Besseren belehrt. Und das, obwohl ich in einem Körper stecke, dessen Form und Volumen wenig bis gar nicht diskriminiert wird. Und das, obwohl ich immer noch zu jenen Normschönen zähle, zu jenen, die es nicht täglich ertragen müssen als unsportlich, faul oder nicht begehrenswert degradiert zu werden. […] Körper sind politisch. Sie schaffen Lebensrealitäten, die bevorzugen oder benachteiligen. Diskriminierung und Selbsthass sind strukturell und geschaffen. Man kann sie versuchen wegzukaufen, hart erarbeitetes Geld und Zeit investieren, so tun, als läge es einfach nur an einem selbst. Doch am Ende ist Diätkultur und die damit verbundene Realität immer da. Sie steckt in jeder Zelle unserer Existenz. Sie steckt in einem Schnappschuss, der eigentlich nichts anderes zeigt als eine glückliche Frau, die gerade Urlaub macht.”
Diese Erfahrung zeigt, wie sehr Körper die Menschen triggern. Diet Culture bezeichnet ein Wertesystem, in dem Dünnsein mit “Gut” gleichgesetzt wird und Individuen absolute Kontrolle über das Aussehen ihrer Körper zugeschrieben wird. Dieser Mechanismus bringt uns dazu, das eigene Aussehen sowie die Optik anderer nach strengsten Maßstäben zu beurteilen – vor allem Frauen leiden darunter, denn ihrem Aussehen wird ein erhöhter Stellenwert zugeschrieben. Wegen dieses Sexismus, der sich aus den patriarchalen Gesellschaftsstrukturen nährt, sind es im Fall von Madeleine vor allem Frauen, die körperbewertende Kommentare hinterlassen. Das Aufwachsen in einem von Schlankheit besessenen Klima hat uns jahrelang gelehrt, unsere Körper zu hassen. Wir sind hart zu uns selbst – und manchmal leider auch zu anderen. Eine Userin benennt das Problem unter @dariadaria’s Post: “Mich nervt es auch so sehr, dass ich alle Dellen (insbesondere an schlanken Frauen) als beruhigend wahrnehme.” Es sind einfach Körper, und trotzdem sind sie Projektionsfläche für so vieles – vor allem die Unsicherheit der meisten Frauen mit ihren eigenen Körpern. Diese Validierung über andere, die auch nicht “perfekt” sind, zeigt ein perfides Verhältnis auf. Einerseits ist das durchaus narzisstisch und somit moralisch verwerflich: Uns geht es nur gut, wenn andere runtergemacht werden. Gleichzeitig trägt ja aber genau das dazu bei, uns nicht wie Aliens mit unserem Aussehen zu fühlen sondern jegliche Körper zu normalisieren. Wie also mit diesem Dualismus umgehen?
Die Körper anderer gehören nicht kommentiert
Eine weitere Userin schreibt: “Mir ist das auch aufgefallen und ja ich habe mich auch über das unretuschierte Foto gefreut. ABER: ich würde das nie kommentieren wenn die Person das nicht explizit selbst zum Beispiel in ihrer Caption thematisiert. Denn selbst wenn die Nachrichten eine positive Intention haben kann das sehr verletzend sein, verunsichern oder triggern. Ungefragt gehören die Körper anderer Menschen nicht kommentiert.” Auch hier geht es um eine Art von Consent. Es gilt Folgendes abzuchecken: Handelt es sich eindeutig um einen Post, der Sachverhalte kritisiert? Wenn nicht, dann einfach mal unkommentiert lassen! Natürlich ist es in unserer oberflächlichen Gesellschaft mit ihren strengen Normen mutig, und klar hilft es uns, mehr “normale” Körper mit all ihren vermeidlichen “Makeln” zu sehen – deshalb ist trotzdem nicht jegliches Body-Pic ein aktivistisches Statement, sondern darf einfach als das betrachtet werden, was es ist: ein hübsches Bild.