Allen, denen wir im Vorfeld von unserem geplanten Artikel erzählt haben, konnten mit dem Begriff Vaginismus rein gar nichts anfangen. Vielleicht geht es dir ja genauso? Wenn ja, dann ist es ein absolutes Muss, diesen Artikel zu lesen!
Eines ist sicher: Das Thema Vaginismus braucht mehr Aufmerksamkeit. Vor allem, um es Betroffenen leichter zu machen, darüber zu reden und Hilfe zu finden! Vaginismus zählt zu den sexuellen Funktions- beziehungsweise Schmerzstörungen der Sexualorgane. Die Ursachen dafür sind vor allem in der Psyche verankert, können aber auch organisch bedingt sein. Vaginismus geht mit einem unwillkürlichen Krampf bzw. einer Verspannung der Beckenboden- und Vaginalmuskulatur einher. Die Folge: Der Eingang der Scheide wirkt bei Penetration (z. B. beim Sex oder bei der Untersuchung beim Frauenarzt) oder sogar beim Einführen eines Tampons oder von Sexspielzeug wie verschlossen, was entweder zu erheblichen Schmerzen führt oder das „Eindringen“ schlichtweg unmöglich macht.
Wir haben der Psychologin Dr. Hanne Horvath die wichtigsten Fragen zum Thema gestellt.
WIE ENTSTEHT VAGINISMUS?
Die meisten Frauen trifft Vaginismus völlig unerwartet. Doch alles hat eine Ursache, auch wenn das Betroffenen oft nicht bewusst ist. Häufig ist es daher kein einzelnes Ereignis, sondern ein Geflecht unterschiedlicher Erfahrungen und vielschichtiger Ursachen, die zu der Entwicklung von Vaginismus führen.
Zu den häufigsten zählen negative Erfahrungen in der Kindheit, Leistungsdruck, übersteigerte Erwartungen, Angst vor Schwangerschaft und Geschlechtskrankheiten, ein negatives Körperbild sowie ein geringer Selbstwert, Stress oder die Angst, die Kontrolle abzugeben. Studien zufolge sind mehr als 20 Prozent der Frauen vor der Menopause von Penetrationsschmerzen betroffen. Dies entspricht etwa vier Millionen Frauen in Deutschland. Expert:innen gehen jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus, da sich Betroffene oft schämen, über ihre Beschwerden zu sprechen.
WORAN ERKENNE ICH, OB ICH UNTER VAGINISMUS LEIDE?
Bei Vaginismus kommt es während des Einführens oder bei Einführungsversuchen in die Vagina zu Schmerzen und mitunter auch zu einem Gefühl der Verkrampfung der Beckenbodenmuskulatur. Die Ausprägung und Entwicklung von Vaginismus können sich von Frau zu Frau unterscheiden. Manchen Frauen war Geschlechtsverkehr noch nie oder nur unter Schmerzen und Beeinträchtigungen möglich. Bei anderen sind die Symptome erst im Laufe der Zeit entstanden. Die Schmerzen bei Vaginismus werden als brennend, pochend, stechend oder schneidend beschrieben. Häufig geht Vaginismus daher auch mit der Angst vor dem vaginalen Einführen und Schmerzen einher.
WIE WIRKT SICH VAGINISMUS AUF DIE PSYCHE AUS?
Wenn Betroffene das Gefühl haben, dass etwas mit ihrem Intimbereich nicht stimmt, dann führt das in der Regel zu starken Selbstzweifeln und zu Verzweiflung. Es kann zu Partnerschaftsproblemen kommen, und ein unerfüllter Kinderwunsch kann zu erheblicher Frustration führen. Auch Angst, Scham und Schuld sind möglich. Oft verhindert Scham eine Behandlung und selbst wenn Betroffene Hilfe suchen, gibt es kaum entsprechend ausgebildete Spezialist:innen, sodass der Leidensdruck mit der Zeit immer größer wird. Die Schmerzerfahrung verursacht Ängste, die wiederum zu weiterer Anspannung oder Verkrampfung führen, sodass Sex in der Folge vermieden und keine positiven sexuellen Erfahrungen gemacht werden. Das ist nicht nur für das Individuum sehr belastend, sondern kann auch die Beziehung zum/zur Sexualpartner:in strapazieren.
WIE LÄSST SICH VAGINISMUS BEHANDELN?
Vaginismus beeinträchtigt nicht nur die Sexualität, auch gynäkologische Untersuchungen können dadurch zu einer Belastung werden. Das Problem ist auch, dass es bislang kaum Therapiekonzepte zur Behandlung von Vaginismus gibt, deren Wirksamkeit in klinischen Studien belegt werden konnte. Und es gibt nur wenige Expert:innen, die auf die Behandlung schmerz bezogener Penetrationsschwierigkeiten spezialisiert sind. Eine Lösung bietet das digitale Therapieprogramm „HelloBetter Vaginismus Plus“ an, durch das Betroffene effektive Unterstützung erhalten.
WAS KANN ICH SELBST TUN?
Nicht nur die gezielte Entspannung der Beckenbodenmuskulatur, sondern auch die allgemeine Entspannung des Körpers können dabei helfen, Vaginismus zu behandeln und zu lindern. Eine effektive Methode, um zu entspannen, ist die Atem entspannung. Dafür reichen täglich etwa fünf Minuten Zeit, in denen man darauf achtet, die Ausatmung etwas länger als die Einatmung sein zu lassen. Hier kann es helfen, die Atemlänge etwa im Sekundentakt zu zählen und zum Beispiel etwa drei Sekunden lang einzuatmen und vier Sekunden lang auszuatmen. Dieses Verhältnis steigert man dann während der fünf Minuten, bis man bei drei Sekunden Einatmung und sechs Sekunden Ausatmung angelangt ist.
Bei der so genannten Exposition setzt man sich in ganz kleinen Schritten dem aus, was Schmerzen bereitet oder Angst macht. Im Fall von Vaginismus geht es dabei um ein Vaginaltraining mit sogenannten Dilatoren. Das sind Gegenstände in Penisform verschiedener Größen, die in aufsteigender Größe angewendet werden. Dabei geht es auch darum, dass die Muskeln lernen, nicht zu verkrampfen, und dass durch die behutsame Erfahrung Ängste abgebaut werden. Es ist ratsam, vor der Anwendung Rücksprache mit der Gynäkologin oder dem Gynäkologen zu halten.
Viele Frauen, die von Vaginismus betroffen sind, haben selbstabwertende Gedanken. Keinen oder nur unter Schmerzen Sex haben zu können, kann ein Gefühl der Unzulänglichkeit hervorrufen. Auch ein unerfüllter Kinderwunsch durch Vaginismus kann zu Selbstwertproblemen führen. Um den Selbstwert zu steigern, ist ein wichtiger Schritt auch der, diese kritischen Gedanken zu bemerken und sie (evtl. mithilfe eines Therapeuten/einer Therapeutin) in hilfreichere umzuwandeln.
WIE SPRECHE ICH DAS „PROBLEM“ BEI MEINEM/MEINER PARTNER:IN AN?
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass der Partner oder die Partnerin das Problem bereits bemerkt hat, aber selbst nicht so richtig weiß, wie er oder sie dieses ansprechen soll. Oft bezieht der/die sexuelle Partner:in die fehlende Lust auf sich, was zu weiteren Problemen in der Beziehung führen kann. Hier ist es wichtig, offen zu kommunizieren und das Thema gemeinsam anzugehen. Welche Übungen und Ressourcen können verwendet werden, um die Beschwerden zu lindern?
KANN ICH TROTZ VAGINISMUS EIN ERFÜLLTES LIEBESLEBEN FÜHREN?
Mit der richtigen Therapie ist es möglich, die Beschwerden zu lindern. In einer klinischen Studie konnte gezeigt werden, dass „HelloBetter Vaginismus Plus“ dabei hilft, Schmerzen beim Einführen in die Vagina erfolgreich zu lindern, Angst vor Sex zu reduzieren und so wieder positive sexuelle Erfahrungen zu ermöglichen. Vielen Studienteilnehmerinnen war es vor der Nutzung des Therapieprogramms nicht bzw. zum Teil noch nie möglich, Geschlechtsverkehr ohne Schmerzen zu haben. Nach dem Programm berichteten viele Probandinnen, dass sie nun in der Lage seien, schmerzfrei Sex zu haben. Und: Auch nicht penetrativer Sex kann Spaß machen kann und zu einem erfüllten Liebesleben beitragen.
GIBT ES SEXPRAKTIKEN, BEI DENEN DIE PENETRATION WENIGER SCHMERZHAFT IST?
Einige Frauen berichten, dass vor allem die Missionarsstellung und die Reiterstellung beim Sex Schmerzen auslösen. In der Reiterstellung hat man zwar selbst die Kontrolle, allerdings wird dabei eine hohe Spannung in
den Oberschenkeln und im Becken aufgebaut, was die Entspannung des Beckenbodens erschwert. Es gilt also: ausprobieren! Dabei sollte der Partner/die Partnerin signalisieren, dass er/sie sich nach dir richtet und mit deinem Tempo zufrieden ist, um psychische Blockaden zu lösen.
WO KÖNNEN BETROFFENE HILFE FINDEN?
Hausärzt:innen oder Gynäkolog:innen sind in der Regel die erste Anlaufstelle. Aber auch auf Sexualmediziner:innen, klinische Psychologinnen/Psychologen sowie Psychotherapeut:innen können eine Diagnose stellen und eine Therapie empfehlen. Patientinnen können ihren Arzt oder ihre Ärztin auch direkt um eine Verschreibung des digitalen Therapieprogramms „HelloBetter Vaginismus Plus“ bitten, das kostenfrei auf Rezept verfügbar ist.
Gut zu wissen: Im Allgemeinen werden zwei Arten von Vaginismus beschrieben
Der primäre Vaginismus: Wenn eine schmerzfreie Penetration niemals möglich war.Das kommt meist im Teenager-Alter zum Vorschein, da hier oft die ersten Versuche (z.B.auch durch das Einführen eines Tampons) unternommen werden.
Der sekundäre Vaginismus: Diesem liegt eine bestimmte Erfahrung (z.B.Schmerzen beim ersten Mal, Schmerzen bei einer gynäkologischen Untersuchung) oder ein traumatisches Erlebnis (wie eine Vergewaltigung oder ein Geburtstrauma) zugrunde.
Hier findest du Hilfe
Das digitale Therapieprogramm HelloBetter basiert auf bewährten Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie und ist ein 12-wöchiges Kurs-Programm. Die Einheiten können flexibel absolviert werden, vermitteln Wissen über die Symptome sowie Strategien, die dabei unterstützen können, besser mit den Beschwerden umzugehen.Zahlreiche Übungen helfen Anwender:innen dabei, alleine oder gemeinsam mit ihrem oder ihrer Partner:in Schritt für Schritt die mit dem Thema verbundenen Ängste und Schwierigkeiten zu bewältigen.Begleitet wird das Programm von HelloBetter Psycholog:innen und einer Begleit-App.
Dr. Hanne Horvath ist Psychologin, Autorin und Mitgründerin sowie Chief Commercial Officer bei HelloBetter.Zudem entwickelte sie eine digitale Anwendung gegen Schlafstörungen und ist als Gründerin und Geschäftsführerin am Aufbau der GET.ON Institut GmbH beteiligt.Hierfür erhielt sie den Wilhelm-Exner-Preis
für Psychologie und ein Business-Accelerator Stipendium von der Leuphana Universität Lüneburg.Mehr Infos zu HelloBetter findest du unter: www.hellobetter.de
Dieser Artikel stammt aus unserer aktuellen Ausgabe. Du hast sie noch nicht? Dann aber nix wie zum Kiosk! Hier liest du mehr dazu.