Wir stellen unsere Einstellung auf den Prüfstand.
Nicht zu fassen: Schon wieder ein Jahr rum und immer noch Single! Das neue Jahr fängt also nicht ganz so bombastisch an, wie mir das Horoskop, das meine Schwester mir zu Weihnachten geschenkt hat, prophezeit hat. Dabei war es maßgeschneidert mit exakter Berechnung nach persönlicher Geburtszeit plus Breitengrad meines Geburtsortes. Spätestens an Silvester hätte ich ihn demnach treffen müssen, meinen Prince Charming, dem ich auf einer der drei Partys, auf denen ich ein Sektchen geschlürft habe, durchaus hätte begegnen können.
Einzige Lösung: Unsere eigentlich verwandten Seelen können nicht zueinander finden, weil sich mein wahres, wunderbares Ich hinter einer Fassade verbirgt, die nicht gerade Topmodel-verdächtig ist. Zwanzig Pfund weniger wären definitiv besser.
Daher werde ich auch nie angesprochen und nie auf einen Drink eingeladen, wie meine beste Freundin Nicole, die mit ihren langen blonden Haaren und ihrem durchtrainierten Body natürlich ein Mega-Hingucker ist. Na gut, Single ist sie zwar auch seit drei Jahren – aber im Gegensatz zu mir hat sie wenigstens dann und wann eine Affäre. Allerdings mit Männern, die … naja, vertiefen wir das lieber nicht. Glücklich ist sie also auch nicht – und schiebt es interessanterweise darauf, für zu oberflächlich gehalten zu werden. Nicole meint, so gehe es vielen attraktiven Menschen. Die Sorgen hätte ich auch gern!
Wir beide finden: Geteiltes Leid ist halbes Leid und doppelt nachgegrübelt führt vielleicht zur ein oder anderen Erkenntnis. Nicole und ich haben uns also zusammengesetzt, unser recht unterschiedlich gestricktes Single-Dasein auf den Prüfstand gestellt und folgende Punkte auf unsere To-Do-Liste gesetzt, an der wir ab jetzt arbeiten wollen:
1. First Date – big Mistake
Zumindest, was unsere Erwartungen daran betrifft. Tatsächlich erwarten wir an jeder zweiten Fußgängerampel, dass uns der Schlag trifft, weil wir genau hier der Liebe unseres Lebens begegnen könnten: Unsere Blicke werden sich kreuzen, wir werden beide Bescheid wissen und ab diesem Zeitpunkt nicht mehr voneinander lassen können. So und nicht anders muss es sein. Was natürlich Quatsch ist und viel zu viel Bedeutung in das eine erste Treffen hinein interpretiert. In Wahrheit ist die Story von der berühmten Liebe auf den ersten Blick meist ein Trugschluss. Die meisten glücklichen Paare in unserem Umfeld kannten sich schon ein Weilchen, bevor es wirklich „Boom“ gemacht hat, stellen wir fest. Eigentlich logisch, denn auf den ersten Blick sieht man eben nur die aufpolierte Optik, die nichts darüber aussagt, ob wir die gleiche Lebenseinstellung haben oder über ähnliche Dinge lachen können.
2. Blödes Beuteschema
Knackige Surfertypen sind ja sooo süüß und was anderes kommt ihr auch nicht ins Bett! Findet Nicole – und kriegt von mir für diese oberflächliche Meinung gleich eins auf die Mütze. Allerdings muss ich zugeben, dass ich mit meiner Schwärmerei für Johnny Depp – natürlich den jungen – auch nicht besser dastehe. Blonde Männer, geschweige denn welche mit Glatze oder gar Rothaarige beachte ich erst gar nicht. Und quäle mich selber damit, dass die blöden Kerle mich womöglich wegen meiner Hummeltaille nicht sexy finden und deshalb gleich aussortieren? Da stimmt natürlich was nicht und wir nehmen uns vor, mit offeneren Augen durch die Welt zu gehen. Johnny Depp in allen Ehren aber Anhimmeln wegen süßer brauner Augen und verwuschelter Frisur ist echt pubertär. Und was aus dem einst niedlichen Captain Jack Sparrow inzwischen geworden ist, ist so putzig nun auch wieder nicht.
3. Die Sache mit dem Glück
Ja, es ist wahr, ich bin fest davon überzeugt, dass ein fester Partner mich glücklich machen würde, beziehungsweise glücklich machen MUSS. Je länger ich Single bin, desto mehr glaube ich, dass ein toller Mann in meinem Leben alles ändern würde. Ernsthaft? Auch den ewigen Streit mit meiner Mutter, die Langeweile im Job und, ja klar, meinen ewigen Heißhunger auf Schokolade? Wenn ich ernsthaft darüber nachdenke, erscheint es mir tatsächlich ein wenig unfair, jemand anderem die Verantwortung für mein Leben in die Schuhe zu schieben. Vielleicht sollte ich mich erstmal selbst um die ganzen Baustellen kümmern und mein Glück auf diese Weise ganz allein in die Hand nehmen? Womöglich würde ich darüber sogar die krampfhafte Suche nach Mr. Right vernachlässigen, die man mir mit Sicherheit schon von weitem ansieht. Einen Versuch wäre es wert …
4. Macken und Marotten
Nicoles letzte Beziehung ist über den Status einer „Friendship mit Benefit“ nicht hinausgekommen, weil er schon beim ersten gemeinsamen Frühstück sein Marmeladenmesser abgeschleckt hat. Bei dem Typen davor war’s auch nicht besser: Er trug Unterhosen mit Osterhasen-Print, und das im Oktober. Naja, die Liste von Nicoles Männern, die sich mit kleinen Macken im Nullkommanix ins Abseits geschossen haben, ist ellenlang. Wo das Problem liegt? Niemand ist perfekt, wir leider auch nicht. Wie langweilig wäre es auch, wenn unser Gegenüber keine Ecke und Kante hätte, an der wir uns reiben könnten? Das alles sind im Grunde Kleinigkeiten, die nichts über die in einer Beziehung wirkich wichtigen Gemeinsamkeiten aussagen: Lebensplanung, Ideale und Humor zum Beispiel. Übrigens: über mangelne Tischmanieren kann man reden und sexy Unterhosen sind ein nettes Präsent für zwischendurch.
5. Zahlen, Daten, Fakten
Schluss mit dem Psychologisieren! Wir checken die Fakten zum Thema und stellen fest: Allein in Deutschland gibt es fast 17 Millionen Singles; wir sind also nicht allein. Die meisten davon sind sogar bis zu sechs Jahre solo unterwegs. Nicole mit ihren drei Jahren Single-Status wirkt da geradezu lächerlich (zumal sie ja zwischendurch immer mal wieder jemanden abschleppt) und auch ich mit vier Jahren Einsamkeit bin noch durchaus im Rahmen. 80 Prozent aller Suchenden wünscht sich übrigens eine feste Beziehung, die dauerhaft hält. Dass die meisten Menschen zuerst aufs Äußere achten, ist zwar auch erwiesen (wusste ich’s doch!) aber für eine glückliche und dauerhafte Beziehung sind am Ende dann doch innere Werte verantwortlich. Wirklich? Demnach werde die schönste Frau schnell langweilig, wenn sie saudoof ist. Das tröstet mich! Zusammenpassen muss es halt, lesen wir weiter – und die ausschlaggebenden Kriterien sind: Gleiche Wertvorstellungen, Humor, gemeinsame Interessen und Lebenseinstellung.