Diskriminierung wird in unserer Gesellschaft endlich immer mehr diskutiert. Gleichzeitig wird von einer unfairen Cancel Culture gesprochen. Let’s talk about it!
“Man darf ja wirklich gar nichts mehr sagen!” – das ist ein Satz, den wir langsam wirklich nicht mehr hören können. Egal, ob er sich auf Sexismus, Fettfeindlichkeit, Rassismus oder eine andere Form von Diskriminierung bezieht. Aber was genau verbirgt sich hinter dieser Aussage?
Der Satz drückt aus, dass sich jemand in seiner Freiheit eingeschränkt fühlt, das sagen zu können, was er denkt. Hinter den eigenen Gedanken wiederum verbergen sich zum Teil erlernte, von der Gesellschaft geprägte Denkmuster. Die Ablehnung von Menschen, die nicht der gesellschaftlichen ‘Norm’ entsprechen ist tief in unserer Wahrnehmung verankert. Sie wird beispielsweise von Medien oder der Art, wie allgemein über bestimmte gesellschaftliche Gruppen gesprochen wird, beeinflusst.
Böse, böse Eva
Unsere Sichtweise auf das “anders sein” ist unter anderem von einer Philosophie und Wissenschaft geprägt, die mehrere Jahrhunderte als ist. Frauen werden zum Beispiel schon seit Jahrhunderten zum Sündenbock stilisiert – siehe Eva, die Adam zum Bösen verführt. Unser Schönheitsideal wurde im 19. Jahrhundert durch den Kolonialismus geprägt, der die Distanzierung weißer Frauen von schwarzen Frauen zur Folge hatte.
Die Strukturen unserer Gesellschaft basieren auf Abgrenzung: Ich bin die Norm, du bist anders, also bist du schlecht. Diese Norm wurde vor langer Zeit von weißen, wohlhabenden Männern festgelegt und bestimmt immer noch unser Leben. Langsam lösen wir uns aber aus den Freiheitsbeschränkungen, die Frauen seit Jahrhunderten erleben und wollen die Gesellschaft gleichberechtigt mitbestimmen.
Diskriminierung befreit niemanden
Zurück zum Ausgangspunkt: Der Satz ” Man darf ja wirklich gar nichts mehr sagen ” drückt aus, dass sich jemand in seiner Freiheit eingeschränkt fühlt. Paradox ist daran, dass eine diskriminierende Aussage zur Einschränkung von Freiheit einer anderen Person führt und dass diese Aussage meist mehr von gesellschaftlichen Einflüssen geprägt ist als von dem, was uns wirklich frei macht: unsere Individualität.
Abgesehen davon wird jeder Mensch mit dem Konzept von Norm und Abgrenzung in seiner Freiheit, seiner Individualität eingeschränkt. Jeder Menschen will doch mehr sein als das, wovon er sich abgrenzt, oder? Im Endeffekt profitiert also niemand von Diskriminierung oder von der Verfechtung dieser.
Cancel Culture? Reiß dich doch selbst zusammen
Ein anderer Aspekt von dieser Aussage ist, dass der Sprechende die eigenen Bedürfnisse über die von anderen stellt. Ganz nach dem Motto: Dass ich meine Meinung äußern darf ist wichtiger als das Befinden von anderen Menschen. Der Satz unterstellt auch, dass diskriminierte Menschen zu sensibel sind. Dass es bei Diskriminierung aber nicht nur um verletzte Gefühle geht, verstehen viele nicht.
Und warum nicht? Weil sie sich nicht in die Lebensrealität von diskriminierten Menschen hineindenken und -fühlen können. Diskriminierung ist strukturell, alltäglich und beeinflusst mehrere Lebensbereiche. Dabei geht es nicht darum, dass jemand sich hin und wieder einen verletzenden Kommentar anhören muss. Sondern darum, dass jemand ständig von außen damit konfrontiert wird, anders zu sein. Mit Worten, Benachteiligung und im schlimmsten Fall mit körperlicher Gewalt.
“Wenn man nichts Nettes zu sagen hat, soll man den Mund halten.”
Klopfer aus Disneys Bambi
In unserer Gesellschaft ist es normal geworden, keine Geduld für andere Menschen zu haben. Schnell genervt zu sein. Wie traurig ist es, dass es schon zu viel verlangt ist, Verständnis für Menschen zu haben, die täglich unter Diskriminierung leiden. Vor allem weil der Satz “Man darf ja wirklich gar nichts mehr aussagen” nicht nur aussagt, dass der Sprechende keine Lust hat, Zeit und Mühe in andere Menschen zu investieren. Sondern dass er nicht einmal bereit ist, das Mindeste zu tun: einfach den Mund zu halten.
Mit der Aussage drückt der Sprechende aus, die diskriminierte Person solle sich zusammenreißen. Dazu kann man eigentlich nur sagen: Right back at you – reiß dich doch bitte zusammen und behalt deine Meinung für dich. Das ist gar nicht mal so schwer, das bekommst du als erwachsener Mensch schon hin!