Bin ich eine schlechte Mutter nur weil ich fett bin? Diese Frage stellt sich Momflucerin Alina Friederichs in ihrem Artikel über Momshaming.
Korrektur: Leider ist uns in der Printausgabe ein Fehler unterlaufen und wir haben ein falsches Gewicht abgedruckt. So wog Alina nicht 100 kg, als sie von ihrer Schwangerschaft erfuhr, sondern 148 kg.
Alina Friederichs ist Mutter von zwei Söhnen und Momfluencerin. In ihrem Artikel und auf Social Media (@alinafrie) gibt sie einen ehrlichen und oft ironischen Einblick in die Themen Momshaming und Fettfeindlichkeit. Offen teilt sie ihr Leben als vermeintliche ‚Bad Mom‘ und zeigt, mit welchen Vorurteilen sie sich als fette Mutter täglich auseinandersetzen muss.
Beitrag verfasst von Alina Friederichs
Ich bin Alina, 32 Jahre alt, Mutter von zwei Söhnen (2 und 1 Jahr alt), und ich bin eine „Bad Mom“.
WAIT, WHAT? Nein, niemand ist eine schlechte Mutter – jeder tut sein Bestes. Natürlich gibt es auch schlechte Mütter, aber darum geht es hier nicht. Es geht vielmehr darum, dass wir Mütter viel zu schnell verurteilt werden. Verurteilt wofür, könnte man sich jetzt fragen. Ja, wofür? Ganz einfach: Wenn man nicht den traditionellen oder gesellschaftlichen Erwartungen an Mutterschaft entspricht, wird man sofort als „Bad Mom“ abgestempelt. Viele nennen sich selbst so, ich auch. Es geht hierbei nicht darum, dass es „cool“ ist, eine zu sein. Vielmehr geht es darum, dass man anders ist, als die Gesellschaft oder andere Mütter von einem erwarten. Es ist sarkastisch oder vielmehr ironisch gemeint, in keinem Fall wortwörtlich. Denn wir SIND gute Mütter.
Warum ich eine „BAD MOM“ bin?
Ich bin eine „Bad Mom“, ja. Hier bin ich, 110 % bad. Oft genug wurde mir gesagt, dass ich dies und das nicht „richtig“ mache, oder ich weiß auch schon, dass ich als sogenannte „Bad Mom“ gelte, wenn mein Kind Kuchen mit Zucker isst. Zucker? OMG, Gift. Wie kann eine Mutter ihrem Kind erlauben, Kuchen mit Zucker zu essen anstatt den geschmacksneutralen Kuchen? Im Folgenden paar Beispiele, die mich als „Bad Mom“ deklarieren könnten oder weswegen man mich verurteilt oder verurteilen könnte.
HOW TO BE A „BAD MOM“:
- Ich stille nicht, sondern gebe die Flasche.
- Gläschen zum Beikoststart anstatt selbst gekocht
aus dem nicht vorhandenen Thermomix. - Ich habe mein Kind in die Krippe gegeben.
- Mein Kind darf TV schauen.
- Ich ziehe meinen Kindern ganz o! keine Socken an.
- Ich habe meinen Kindern Namen gegeben, die ich
gut finde. - Nuggets & Pommes stehen ab und zu auf dem
Speiseplan. - Wir schlafen in einem Familienbett.
- Spielplatz? Nein, danke.
- Ich gehe mit meinen Kindern zu McDonald’s.
Man wird schnell und gerne als schlechte Mutter angesehen. Na klar, denn wenn ich es nicht so mache wie XY, ist es falsch. Wir alle haben unsere eigenen Ansprüche an das Mamasein. Wir alle haben Wünsche, wie wir sein wollen und was wir anders machen möchten, als unsere Mütter es gemacht haben.
Mein Leben als „BAD MOM“ – Wie alles begann
Anfang des Jahres begann ich, „Bad Mom“-Reels auf Instagram hochzuladen. Alles begann als Trend „Ich bin … na klar bin ich …“ – man kennt das mehr oder weniger. Warum? Weil ich wieder einmal vermittelt bekam, eine schlechte Mutter zu sein, weil ich etwas nicht so gemacht habe, wie es jemand anderes tun würde. Schon beim Sockenanziehen gab es Diskussionen und das Thema Stillen hat mich sehr getriggert. Ich habe mich bei meinem ersten Sohn (2 Jahre alt) lange gequält und bemüht, dass das Stillen klappt. Hat es nicht und ich schwor mir, beim zweiten Kind werde ich direkt Nein sagen. Na ja, dann kam der berühmte Satz im Kreißsaal „Jetzt bitte einmal anlegen“, zum Bonding, zur Mutter-Kind-Bindung. Aber mir war schon klar, dass ich das nicht will, aber ich mache es hier, weil es von mir verlangt wird. „Soll ich wirklich nicht stillen?“, kamen die ersten Zweifel. Habe ich wirklich die richtige Entscheidung getroffen, weil „Muttermilch ist das Beste für Ihr Kind“? Wieso sollte ich nicht das Beste für mein Kind wollen? Bin ich eine schlechte Mutter, weil ich nicht stillen will?
Am ersten Tag habe ich Tag und Nacht versucht, es klappte nicht wirklich gut. Kinderkrankenschwestern nahmen sich viel Zeit für mich und halfen mir, meinen Sohn richtig anzulegen. Mein einziger Gedanke war: „Ich will das eigentlich nicht, ich muss aber, weil sonst verwehre ich meinem Kind das Beste.“ Am zweiten Tag begann ich bereits zu pumpen, weil er nicht genug aus meiner Brust herausbekam. Nur zweimal Pumpen später habe ich Nein gesagt. NEIN zum Stillen und zum Abpumpen. „Ich will das nicht, ich will Pre-Milch füttern.“ Und es wurde akzeptiert, keine Widerworte, kein „Muttermilch ist aber das Beste“. Aber natürlich kamen die Vorwürfe: „Hast du es denn lange genug probiert? Da braucht man echt Disziplin. Bei mir …“ Ich habe es bei meinem ersten Sohn probiert und direkt gesagt, ich will es kein zweites Mal.
Natürlich kann das kaum einer verstehen. Ich muss mich einfach zu wenig bemüht haben, ich bin einfach faul, das sähe man ja sowieso. Und das war der Anfang der Gedanken „Ich bin eine schlechte Mutter“. Viel später fand ich das Ventil in den Reels und wurde gehört, weil es vielen so geht wie mir – nicht nur beim Thema Stillen, sondern bei vielem mehr. Natürlich mache ich das auf eine witzige, ironische oder manchmal auch sarkastische Art. Aber manchmal ist es einfach zu lächerlich, was einem vorgeworfen wird oder weshalb man mal wieder eine „Bad Mom“ war. Wann sehen wir mal über den Tellerrand hinaus und erkennen, dass es nicht nur DEN einen richtigen Weg gibt, sein Kind großzuziehen? Denn es gibt so viele Wege und verschiedene pädagogische Ansätze. Momshaming ist doch schon lange out. Aber leider gibt es das noch viel zu sehr.
FAT FAT FAAAAAAAAAAAT MOM
Wie kam es zu den „Fat Mom“-Reels? Warum bezeichne ich mich selbst als „Fat Mom“? Weil ich es bin. Rein faktisch bin ich fett. Fettleibig, adipös, chubby, dick, korpulent, speckig – wie auch immer. Die Zahlen sprechen für sich, ich bin fett. Und das ist nicht abwertend gemeint. Es ist einfach so. Natürlich könnte man es „schöner“ umschreiben, aber wer sagt eigentlich, dass „fett“ eine Beleidigung ist? Ich nicht. Es ist ein Wort, das meinen Körper beschreibt. Ich sehe es nicht als Beleidigung, weil es keine ist. Natürlich kommt es o“ auf den Kontext und die Art und Weise an, wie es jemand sagt. Aber für mich ist es ein einfaches Wort ohne Hass und ohne Wertung.
Weil es andere getan haben. Was meine ich damit? Andere Menschen im World Wide Web haben unter meinen „Bad Mom“-Reels feißig mit „Fat Mom“ kommentiert. Es kamwirklich sehr oft. Und damit wuchs die Idee: Wieso kein „Fat Mom“-Reel machen? Denn es wurde nicht nur geschrieben, sondern meine Fettleibigkeit wird gleichgestellt mit „eine schlechte Mutter sein“, weil: Wenn mein Kind wegläuft, ist es weg, weil ich nicht hinterherkomme. Ich will, dass mein Kind genauso fett wird wie ich, deshalb darf es im Sommer Eis essen. Natürlich wurde ich in der Schwangerschaft gefragt, ob ich Drillinge bekomme, schließlich sei mein Bauch so fett. Natürlich darf ich mit meinen Kindern nicht baden gehen, ist schließlich kein Platz für Seekühe. Natürlich bin ich meinen Kindern peinlich. Natürlich bücke ich mich zu meinem Kind und knie nicht. Natürlich bin ich so fett, weil ich mit den Kindern nicht rausgehe.
Und das sind nur einige Beispiele der vielen Hates und fettfeindlichen Kommentare unter meinem Content. Ein weiteres Beispiel ist mein Reel, in dem ich „mal“ mit meinen Kindern McDonald’s besuche. NEIN, ich gehe nicht nur „mal“ dorthin, sondern immer. Mir ist die Nahrung und die Gesundheit meiner Kinder total egal. Ich will sie mästen, ich will, dass sie genauso fett werden wie ich. Sie werden früh sterben, wie ich es bald werde. All das, weil man auf Social Media stattfindet – ach so –, als fette Person stattfindet. Denn das will ja keiner sehen, nimm dir am besten einen Strick.
Es wäre gelogen, wenn ich sage, dass dieser ganze Hate nichts mit mir macht. Klar, es macht etwas mit mir, ich bin kein Stein. Aber es ist nicht so, als wäre es das erste Mal, dass ich solche Reaktionen erlebe. Nein, meine Kindheit, Jugend und mein Erwachsensein haben mich bereits geprägt und abgehärtet. Zum Beispiel: Mein erster
Heartbreak in der siebten Klasse, mein Schwarm sagt mir endlich, dass er mich auch mag, drei Tage vergehen und auf einmal bin ich dann doch die dreckige fette Schlampe. Alles nur ein Spaß, alles nur um mich zu ärgern, weil ich fett bin. Eben einfach nicht liebenswert, weil wie kann man mich schon so lieben?
Wenn ich einen schlechten Tag habe, trift mich auch mal ein schlechter und unkreativer Hate-Kommentar wie „Du bist fett“. Aber in den meisten Fällen eher nicht. Wo ich dann doch mal schlucken muss, ist, wenn es gegen meine Kinder geht: „Ein Wurf aus deinem Genpool ist nur bedauerlich.“ FUCK, NEIN! Sie sind die perfektesten kleinen Menschen dieser Welt und niemals bedauerlich. Sie sind ALLES, nur nicht bedauerlich. Mein Ziel ist es, die Sehgewohnheiten zu ändern und Bewusstsein zu schaffen. Du bist nicht allein. Es gibt andere Mütter wie dich. Wir sind alle nicht perfekt, wir geben alles und wollen nur das Beste für unser Kind.
Also, wie ist es als „Bad“ bzw. „Fat Mom“?
Erstaunlich gut, perfekt und entspannt – wenn man den Hass im Internet mal beiseitelässt. Was die ganzen Hater jedoch nicht verstehen, ist, dass sie mich damit unterstützen. Jeder Kommentar, jeder View pusht mich, und zwar nicht nur zahlenmäßig, sondern auch mental. Denn ich merke, dass wir noch ganz am Anfang stehen, was Momshaming und Fettfeindlichkeit angeht. Diversity? Ja, gerne, aber bitte nicht zu viel. Auch wenn mir vieles abgesprochen wird, nur weil ich fett bin, BIN ICH EINE FUCKING GOOD MOM. Ich wünsche mir, dass Mütter urteilen und Kritik an ihren eigenen Entscheidungen treffen können und dass das Gewicht nichts mit den Qualitäten einer Mutter zu tun hat. Warum werden immer nur die fetten Mütter geshamed und nie die fetten Väter? Warum immer nur Frauen, warum immer nur Frauenkörper? Und ganz ehrlich, Shirin David hat recht: ES SIND IMMER DIE HÄSSLICHEN BITCHES, DIE HATEN. Denn ein bodenloser Charakter, der so viel Hass in sich trägt, ist wirklich hässlich – und das Endlevel.