Shake it out! Beim Tanzen geht es nicht darum, wie man aussieht, sondern um Körpergefühl und Spaß an der Bewegung. Genau deswegen hat der Choreograf und Tänzer Chris Fandrey „Dance has no size“ ins Leben gerufen, denn: Jede*r kann tanzen!
the Curvy Magazine: Was war der Gedanke hinter “Dance has no size”?
Chris Fandrey: Ich hatte immer damit zu kämpfen, dass mir von manchen Menschen gesagt wurde, dass ich nicht die richtige Figur für einen Tänzer hätte und dass ich abnehmen müsste, um mit dem Tanzen erfolgreich
zu werden. Mir war damals nicht bewusst, was das in meinem Kopf auslöste und wie sehr mich das ver- unsichert hat. Es gibt Tanzschulen oder Vereine, in denen Menschen teilweise auskategorisiert werden, die mehrgewichtig sind. Oft werden mehrgewichtige Tanztalente nicht gefördert und übersehen. Das finde ich extrem schwierig und vor allem schade. Es gab eine Zeit, in der ich extrem viel abgenommen und dann wieder zugenommen habe. Irgendwann war ich mit meinem Gewicht zufrieden und dachte mir: “Ich verändere mich für niemanden mehr. Tanzen ist für alle.” Und mir wurde bewusst, dass ich in der Tanzszene etwas verändern möchte.
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Denkst du, es gibt einen Unterschied, wie dicke Frauen und dicke Männer gesellschaftlich wahrgenommen werden?
Ich glaube, dass beide sehr unterschiedlich damit um- gehen und man hier in Zukunft immer weniger nach Geschlecht kategorisieren sollte. Viele Männer sind oft nicht offen, über Gewicht zu sprechen. Wenn Männer, vor allem ab einem gewissen Alter, einen Bauch haben, wird es oft als Wohlstandsbauch angesehen. Trotzdem leiden Männer meiner Meinung nach genauso wie Frauen unter den Vorurteilen. Die gibt es gegenüber beiden Geschlechtern. Das fängt schon in der Schule an: Wenn du als Junge zu dünn bist, bist du ein Lauch, und wenn du mehrgewichtig bist, bist du fett. Bei Männern ist das Thema Gewicht in den Medien auch nicht so präsent, weil es kaum sichtbar gemacht wird. Männern wird zudem oft suggeriert, dass sie nicht über ihre Gefühle und damit auch nicht über ihr Gewicht sprechen sollten. Ist ein Moderator im TV mehrgewichtig, ist das kein Thema, gibt es eine kurvige Frau in den Medien, ist es eine Sensation. Andersherum sehen wir immer mehr kurvige weibliche Popstars, aber kaum mehrgewichtige männliche Popstars.
Nichts, schon gar nicht dein Körper, darf ich aufhalten, deine träume zu realisieren.
Chris Fandrey
Wirst du auch oft mit Vorurteilen in Bezug auf dein Geschlecht konfrontiert?
In der Schule musste ich mir viel anhören und wurde gemobbt, aber das hat mich nie davon abgehalten, an mich zu glauben und am Tanzen festzuhalten. Ich habe meine Kraft und Stärke beim Tanzen gefunden. Ich habe da erkannt, dass ich etwas kann und in der Szene doch so akzeptiert werde, wie ich bin. Mir hat das Tanzen so viel Stärke und Selbstbewusstsein gege- ben und das möchte ich an die nächste Generation weitergeben und damit meine Spuren hinterlassen. Nichts, schon gar nicht dein Körper, darf dich aufhal- ten, deine Träume zu realisieren.

Denkst du, für Menschen, die schon lange keinen Sport mehr gemacht haben, kann Tanzen ein Weg sein, wieder damit zu beginnen?
Auf jeden Fall. Ich habe in meiner Tanzschule den Plus-Minus-Hundert-Kurs. Ich habe das nicht gemacht, um die Leute in eine Ecke abzuschieben, sondern um sie abzuholen und ihnen einen Safe Space zu geben, wo sie nicht das Gefühl haben, blöd angeschaut zu werden. Es gibt Übungen, die schwieriger sind, wenn man einen Bauch hat. Oft trifft man dann nicht auf Verständnis, sondern hat ein unangenehmes Gefühl. Das gibt es bei uns nicht. Die Frauen und Männer, die in dem Kurs sind, wachsen ständig über sich hinaus. Es geht in dem Kurs um Körpergefühl, Selbstwertgefühl und den Spaß an der Bewegung. Ich denke, man muss einfach einmal den inneren Schweinehund überwinden und einen Ort finden, an dem man sich wohlfühlt, das zu tun.