Ein Plädoyer für neue Plussize-Idole.
Das amerikanische Plussize-Topmodel Tess Holliday hat es auf das Cover der britischen Cosmopolitan geschafft und die Community weltweit feiert sie dafür. Ein fettes Model in einem smaragdgrünen Badeanzug auf dem Cover der Cosmopolitan, ein Cosmo-Girl in Größe 52! The Wahnsinn! Mindestens. Ja, Tess ist es gelungen, mit Klischees zu spielen, Normen über den Haufen zu werfen und zugleich zu beweisen, was wir Curvys natürlich längst wissen: Beauty comes in all shapes and sizes. – Schönheit ist unabhängig von Körperformen und Kleidergrößen.
Bei aller Begeisterung für dieses Cover bleibt für mich ein schaler Beigeschmack. Sollen wir Tess Holliday wirklich als Vorbild feiern? Als Heldin? Als Jeanne D’Arc der Plussize-Community? Ich traue es mich kaum zu schreiben, aber ich meine: nein. Uuuups, jetzt ist es raus. Sicher: Sie hat die Body-Positivy-Bewegung vorangetrieben wie keine andere, sie hat uns Dicken gezeigt, was Selbstliebe ist. Und vor allem ist sie das schönste fette Cover-Model überhaupt! Aber genau das lässt uns auch eines vergessen: Fettleibigkeit ist nicht der nächste IT-Look. Fettleibigkeit ist ungesund. Punkt.
Versteht mich nicht falsch: Ohne Tess säßen wir Curvys womöglich immer noch in dunkelblauen Tuniken verschüchtert im Eck – dass sie uns da rausgeholt hat, dafür zolle ich ihr meinen ganzen Respekt. Sie zeigt unsicheren Plussize-Frauen, dass Körpergewicht kein Grund ist, nicht schön und erfolgreich zu sein. Von ihr kann man lernen, dass es sich lohnt, die eigenen Träume unbeirrt zu verfolgen – und scheinen sie noch so absurd. Sie inspiriert, auch mich.
Doch sollte man diese Inspiration mit Vorsicht genießen. Und sich immer einer Sache bewusst sein: Sehr starkes Übergewicht ist kein modisches Accessoire, kein Style, der uns zu etwas Besonderem macht, und vielleicht sogar berühmt. Nein: Fett macht uns krank. Nicht mit 30 vielleicht, und vielleicht auch noch nicht mit 40. Aber irgendwann holt uns ein zu hoher BMI ein. Tess mag eine Ikone sein, aber ein Vorbild ist sie für mich nicht.
Tatsächlich wünsche ich mir andere Plussize-Idole: Solche, die uns vorleben, dass Selbstliebe und Body Positivity auch bedeuten, unsere Körper zu pflegen und auf sie aufzupassen. Die uns motivieren, mit Übergewicht gesund zu bleiben: durch Sport, durch gute Ernährung, durch eine gute und gesunde Einstellung zum eigenen Körper. Durch Body Positivity im besten Sinne. Solche Vorbilder zeigen uns, dass wir uns lieben dürfen wie wir sind – aber nicht auf Kosten unserer Gesundheit. Schönheit mag unabhängig von Körperformen und Kleidergrößen sein. Unsere Gesundheit ist es nicht. Dass dies für Untergewicht ebenso gilt wie für Übergewicht, muss ich sicher nicht extra dazusagen.
Susanne Ackstaller ist Texterin, Kolumnistin und Bloggerin auf texterella.de.