Die Kommentare zu Lana del Reys Gewichtszunahme zeigen, wie fettfeindlich das Internet ist. Wir wünschen uns mehr Körperakzeptanz!
Am 24. März brachte Elizabeth “Lizzie” Grant – wohl besser bekannt unter dem Pseudonym Lana del Rey – ein neues Studioalbum voll wohlklingender Indie-Balladen heraus. Ihren Durchbruch verdankte sie 2012 der melancholischen Hymne “Video Games”, mit der sie über Nacht auf YouTube zur Stimme einer ganzen Generation wurde. Schnell folgte das erste Album, “Born to Die”. Seitdem hat sich viel getan: Die 37-Jährige blickt auf eine beachtliche Karriere zurück, in deren Verlauf sie mehrere Male das Cover der prestigeträchtigen Magazine “Rolling Stone” und “Interview” zierte, des Öfteren in den Top 10 der Billboard-Charts landete, Star einer H&M-Kampagne war und Features mit Taylor Swift, The Weeknd und Courtney Love aufnahm. Mit “Did You Know That There’s A Tunnel under Ocean Blvd.” bringt sie nun ihre neunte Platte in elf Jahren heraus.
DAS sollte eigentlich das Thema sein, das der Indie-Sängerin gerade Schlagzeilen beschert. Mit den Presse- und Paparazzi-Bildern, die den Release begleiten, häuften sich jedoch vor allem Kommentare zu Lana del Reys Gewichtszunahme.
So fettfeindlich sind die Kommentare zu Lana del Reys Gewichtszunahme
Bereits im September äußerten sich viele Mediennutzer:innen anlässlich eines Fotos von Lana del Rey beim jährlichen Malibu Chili Cook Off, einem großen Food-Festival, negativ und ausfallend. Neben der Figur wurde auch das Outfit der Sängerin kritisiert. Für den Anlass wählte sie Baggy Jeans, ein cropped Polo-Shirt, darüber ein kurzes Flanellhemd, süße Zöpfe mit Scrunchies und einen knallroten Chanel-Rucksack – wir lieben den Look! Internet-Trolls wurden jedoch nicht müde, Lana del Rey für ihre Gewichtszunahme und ihr Modebewusstsein zu shamen. Viele verteidigten die 37-Jährige und prangerten die offensichtliche Doppelmoral an: “Wenn ein dünner Celebrity den Look tragen würde, fändet ihr ihn toll!” Die Gesellschaft ist dazu konditioniert, Outfits automatisch gut zu finden, nur weil sie von dünnen Personen getragen werden, und bewertet damit unterbewusst eher den Körper als den Kleidungsstil einer Person. Der “Skinny or a ‘fit?”-Trend auf TikTok beleuchtet dieses Phänomen im Rahmen des Body Positivity Movement und schafft auf bildliche, humorvolle Weise Awareness.
Der Twitter-User @OxAutismo postete einen – mittlerweile gelöschten – Vergleich von Lana del Reys Figur in jüngeren Jahren und heute. Den Thread betitelte er mit der Caption “Das ist schlimmer als 9/11.” Als Antwort auf diese abscheuliche Fettfeindlichkeit tweetete jemand: “Lana del Rey ist es uns nicht schuldig, dünn zu sein. Nur weil eine Person in einem bestimmten Alter eine bestimmte Kleidergröße hatte, heißt das nicht, dass sie diese Größe für immer beibehalten muss. Körper verändern sich, Gewicht verändert sich. Am allerwichtigsten: Alle Körper, egal welche Figur oder Größe, sind sexy, wunderschön und wertvoll!”
Warum die mediale Berichterstattung ein Problem ist
Was veranlasst Menschen im Internet dazu, einen derart grauenvollen, respektlosen Vergleich mit einem terroristischen Attentat zu ziehen? Wie kann das Gewicht einer Frau derart provozieren?
Das Problem ist ein allgemeines, tief in den Mechanismen unserer Gesellschaft begründetes. Und es lässt sich am Beispiel Lana del Rey deutlich nachvollziehen. Die Künstlerin und ihr Gewicht werden bereits seit 2015 regelmäßig in Klatschzeitungen diskutiert und mit reißerischen Schlagzeilen angeprangert. Die Yellow Press steht seit Jahren in der Kritik, die Gewichtszunahmen- und abnahmen von Stars unsensibel, entmenschlichend und ohne jegliche Grenze zu kommentieren. Und auch in Artikeln, die nicht gegen die Extrakilos wettern, sondern versuchen, sie positiv zu kommentieren, lässt sich unterschwelliger Diätwahn durchlesen. Die Gala machte 2015 Kartoffelchips und sonnengereifte Oliven im Italienurlaub für Lana del Reys neugewonnene Rundungen verantwortlich und lobte sie für ihren entspannten Umgang mit Essen – als wäre es ein radikales Zugeständnis, den Aperitifo zu genießen, statt sich nur von Apfelschnittchen zu ernähren.
Unsere Kultur hat ein kompliziertes Verhältnis zu Körpern und Gewicht. Immer wieder wird uns eingetrichtert, Size Zero sei das einzig richtige Idealbild. Internalisierte Fettfeindlichkeit tragen deshalb die meisten Menschen in sich, und sie fühlen sich besser, wenn Stars, die ja vermeintlich perfekt sind, runtergemacht werden – das hat etwas durchaus Narzisstisches an sich. Und erklärt wohl auch, wieso sich dermaßen viele erdreisten, grausamen Hass hinter der schützenden Anonymität des Internets zu verbreiten. Mit Vorliebe wird als Rechtfertigung dieses Verhaltens der Deckmantel der “Meinungsfreiheit” verwendet. Und die enthält einen Freifahrtschein für Beleidigungen?! Natürlich kann jede:r sagen, wonach der Sinn steht – aber sich freiwillig dazu entscheiden, andere verbal zu verletzen, offenbart schwachen Charakter. Außer Frage, dass diese Menschen selbst eine sehr schädliche Sicht auf Körper und Schönheitsideale haben, unter der sie leiden.
Auch andere Stars sprechen sich gegen Gewichts-Shaming aus
Erst vor kurzem adressierte Ariana Grande ungefragte Kommentare zu ihrer Gewichtsabnahme und den Schaden, den diese anrichten können. Selena Gomez spricht indessen immer wieder über medikamentenbedingte Gewichtszunahme und wie verletzend viele Aussagen sind, die darüber gemacht werden. Die Instagram-Seite “Impact” zeigte in einem Info-Post eindrücklich auf, welche Auswirkungen solche Beleidigungen und das ungefragte Kommentieren von Körpern haben können und forderte: “Be kind to others!”