Warum wir die Bezeichnung unserer Geschlechtsteile überdenken sollten.
Alle, die mit weiblichen Genitalien ausgestattet sind, sollten sich eine Sekunde Zeit nehmen, um ihren Wortschatz neu zu überdenken, wenn es darum geht, ihre Geschlechtsteile zu benennen. Denn selbst scheinbar unbedeutende Angelegenheiten wie Namen haben großen Einfluss darauf, wie weibliche Genitalien wahrgenommen werden und zeigen auf, wo wir als Gesellschaft stehen, wenn es um die weibliche Lust geht.
Die Art, wie wir uns auf bestimmte Dinge beziehen und wie wir sie benennen, spielt eine große Rolle in der Wahrnehmung und umgekehrt, da die Sprache auch immer die Kultur widerspiegelt. Die Namen, die wir für etwas benutzen, sind ein ziemlich guter Indikator für die allgemeine Einordnung, die wir in dieser Angelegenheit haben.
Die Psychologin und lizensierte Sextherapeutin Dr. Laurie Mintz beschreibt das Problem so: “Die Klitoris ist das Lustorgan, welches einfach sprachlich eliminiert wurde. Genauso wie Voldemort in der Harry Potter Reihe – Die Klitoris bleibt, aber sie muss nicht ausgesprochen werden.”
Darüber hinaus folgt bei längerem Nachdenken eine noch radikalere Schlussfolgerung. “Einige Wissenschaftler*innen behaupten, dass wir, indem wir das wichtigste Sexualorgan der Frau in die namenlose Unsichtbarkeit verwandeln, psychologische Organverstümmelung betreiben – eine sprachliche und symbolische Klitoridektomie”, so Mintz weiter.
Das klingt vielleicht extrem für alle, die das erste Mal darüber nachdenken. Aber denke an alles zurück, was Du jemals über Sex und weibliche Genitalien gehört hast und beantworte Dir folgende Fragen:
1. Was bedeutet Vorspiel?
2. Was ist Geschlechtsverkehr?
3. Was ist Sex?
4. Nenne 3 Spitznamen für den Penis.
5. Nenne 3 Spitznamen für die Klitoris.
6. Wenn Du Deine Genitalien rasierst, rasierst Du Deine______.
Zu den ersten drei Fragen – die meisten Menschen werden alles außer Penetration als Vorspiel klassifizieren, während Sex und Geschlechtsverkehr als ein und dasselbe bewertet wird. Das ist verständlich, da es den meisten von uns in der Schule so beigebracht wurde und dies die Bedeutung ist, wie wir sie aus verschiedenen popkulturellen Referenzen abgeleitet haben. Aber ist es deswegen auch korrekt?
“Diese Sprachgebung spiegelt unsere kulturelle Priorisierung des sexuellen Vergnügens von Männern wider. Wenn die weiblichen Orgasmen einen höheren Stellenwert hätten, würde das Streicheln der Klitoris (mit dem Finger, der Zunge oder einem Vibrator), das vor dem Geschlechtsverkehr passiert, als Sex und der Geschlechtsverkehr als Nachspiel bezeichnet werden.” Und Dr. Mintz fährt mit einem eigenen Vorschlag fort: “Lasst uns die Wege von Männern und Frauen einen Orgasmus zu erreichen als gleichwertig betrachten. Sehen wir sowohl die Stimulation der Klitoris als auch den Geschlechtsverkehr selbst als Sex.”
Bitte nicht falsch verstehen. Hier geht es nicht um Männer gegen Frauen oder darum, dass ein Geschlecht das andere dominiert, sondern in erster Linie um Gleichheit in der Sexualität. Die Gesellschaft bezeichnet heterosexuellen Sex auf einer weitgehend unbewussten Ebene immer noch als den Akt, bei dem Männer zum Orgasmus kommen. Etwas, wie Dr. Mintz anmerkt, das durch die Wahrnehmung gestützt wird, dass Sex dann endet, wenn der männliche Partner seinen Höhepunkt erreicht hat.
Kommen wir zum zweiten Teil unserer Fragen. Wir alle kennen Olli, Dick und Johnson. Dick gibt es schon so lange, dass es inzwischen ein offizielles Synonym für Penis wurde. Und für die Klitoris? Hm, mal nachdenken. Im Englischen wird sie auch “clit” genannt und hat viele andere Namen, die sich nie durchgesetzt haben und nicht einmal im Entferntesten einem wirklichen Spitznamen ähneln. Zu unserer letzten Frage – wenn du mit „Vagina“ geantwortet hast, dann haben wir Neuigkeiten für dich: Die Vulva ist der äußere Teil der Vagina und wahrscheinlich das Körperteil, auf das du dich meistens beziehst, wenn du über weibliche Genitalien sprichst. Laut der anerkannten Psychologin Harriet Lehner sollten wir darüber nachdenken, was wir unseren Kindern erzählen. Jungen wird beigebracht, dass sie einen Penis haben, während alles, was Mädchen “da unten” haben, eine Vagina ist. Was ein grobes Vergehen ist und zu falschen Formulierungen führt.
Alles beim richtigen Namen zu benennen, ist nicht nur eine Frage der richtigen Erziehung, sondern es geht vielmehr darum, dem, was wir benennen die entsprechende Bedeutung zu verleihen. Indem Du das Wort Vulva absichtlich weglässt, weil es nicht der Norm entspricht oder indem Du jeden möglichen Euphemismus versuchst, den die Menschen kennen, drückst Du aus, dass sie nicht wichtig ist. Dazu Dr. Mintz: “Bringen wir die Klitoris ins kulturelle Bewusstsein. Das beginnt mit der richtigen Benennung und Einordnung.” Dem können wir nur zustimmen.