Über den weiblichen Körper spricht man nicht? Damit ist jetzt Schluss! Mit ihrem neuen Podcast „Körperkram“ wollen die beiden Multitalente Miyabi Kawai und Vreni Frost nun die Scham rund um vermeintlich unangenehme Körper-Themen überwinden.
In unserer aktuellen Sommer-Ausgabe konntet ihr bereits den ersten Teil des interessanten Interviews mit Moderatorin und Designerin Miyabi Kawai und Sprecherin und Autorin Vreni Frost über ihren neuen Audible Exklusive Podcast „Körperkram“ lesen. Doch weil es zum Thema weiblicher Körper noch so viel mehr zu besprechen gibt, kommt hier der zweite Teil des Interviews, den wir euch definitiv nicht vorenthalten wollen!
The Curvy Magazine: Für viele sind Themen wie Darmgesundheit oder sogenannte „Frauenthemen“ wie Perioden-Probleme noch immer ein Tabu. Was denkt ihr, woran das liegt?
Miyabi Kawai: Mein Eindruck ist es, dass über den weiblichen Körper jenseits von Attraktivität und dem „Male Gaze“ nicht gesprochen wird und anscheinend auch nicht gesprochen werden soll. Wir reden nicht über die Funktionen des weiblichen Körpers. Man sieht schon allein in der Kunst, angefangen in der Antike, dass der Phallus immer gezeigt wird und für Macht, Größe und Stärke steht. Dagegen wird der weibliche Schambereich – der ja auch schon so heißt – eher geschlossen oder eben gar nicht dargestellt. Im Grunde geht es bei allem, was den weiblichen Körper angeht, genau darum: solange wir nicht mit unseren Titten und unserer Jugendlichkeit, also mit unserem sexualisierten weiblichen Körper werben, findet der weibliche Körper weder in den Medien noch in der Gesellschaft oder in privaten Gesprächen statt.
Solange wir nicht mit unserem sexualisierten weiblichen Körper werben, findet dieser weder in den Medien noch in der Gesellschaft statt.
Miyabi Kawai
Vreni Frost: Was wir auch sehen ist, dass die Gesellschaft sich viel zu sehr auf den Mann fokussiert. Letztens erst haben Miyabi und ich lange darüber gesprochen, was für ein Unding es eigentlich ist, dass die medizinische Forschung noch nicht auf Frauen eingeht was z.B. die Dosierung von Medikamenten oder auch die Wirkung des Zyklus auf Medikament angeht. Meine erste Corona-Impfung hat beispielsweise meinen kompletten Zyklus durcheinander gebracht. Als ich das auf Instagram geteilt habe, kamen direkt etliche Nachrichten von Frauen, denen es genauso ging. Da sieht man mal, dass Frauen auch in der Medizin hinten angestellt werden. Es gibt so viele Themen die immer noch – und jetzt erst recht – beackert werden müssen!
Gibt es denn auch Themen, die euch noch unangenehm sind oder die ihr im Podcast nicht ansprechen wollt? Vielleicht sogar Themen die ihr „eklig“ findet?
Vreni: Selbst wenn wir Themen „eklig“ finden, wir sprechen trotzdem darüber. Aber eigentlich ekeln wir uns vor nichts und wir sehen nichts, was unseren Körper angeht, als ekelig an.
Worüber ich nicht gerne spreche, ist meine Beziehung, weil das für mich zu privat ist. Trotzdem teile ich viel von meiner Sexualität. Aber mein Freund halte ich schon seit 11 Jahren erfolgreich aus Social Media heraus und respektiere, dass er das auch so möchte. Ich rede viel über vergangene und aktuelle Erfahrungen, aber bestimmte Dinge gibt es schon, bei denen ich meine Privatsphäre wahren möchte.
Miyabi: Wir haben uns ja vorgenommen bei „Körperkram“ wirklich ganz offen über bestimmte Themen zu sprechen. Manchmal bin ich hinterher sogar erstaunt, wie offen wir über manche Sachen gesprochen haben. Aber ich glaube, das ist genau richtig so.
Es gibt aber Sachen, die sind privat. In Vrenis Fall ist es ihre Beziehung – bei mir gibt es ja aktuell gar keine. Wir reden aber trotzdem sehr frei über Sexualität, unsere Körper und Körperfunktionen – auch die, die vielleicht nicht richtig funktionieren. Im Vorfeld haben wir uns auf einige Themen geeinigt, die sollen vorerst noch nicht stattfinden. Das sind beispielsweise sehr private Dinge oder sogar traumatische Erfahrungen. Vielleicht besprechen wir diese Themen aber mal in der Zukunft, weil man ja auch mit dem Format wächst. Aber wenn man sich den Podcast anhört, kann wirklich keiner sagen, dass wir mit irgendwas hinterm Berg halten oder nicht offen reden.
Viele Zuhörer*innen fühlen sich verstanden und abgeholt. Dadurch spricht man über Dinge, über die man eigentlich gar nicht sprechen wollte – das ermutigt uns.
Vreni Frost
Vreni: Miyabi hat grad so schön gesagt: „Wir wachsen daran“. In einer Folge habe ich beispielsweise etwas erzählt, was ich eigentlich nicht erzählen wollte. Nämlich von einer Hauterkrankung im Genitalbereich, die oft sehr nervig ist. Aber dadurch, dass man so offen darüber spricht, fällt es einem auch viel leichter. Auch durch den Zuspruch unserer Zuhörer*innen. Viele fühlen sich verstanden und abgeholt. Dadurch spricht man über Dinge, über die man eigentlich gar nicht sprechen wollte, das ermutigt uns.
Miyabi, du selbst musstest dich durch deine Krankheit im letzten Jahr vermehrt mit deinem Körper auseinandersetzen. Hat sich dadurch etwas an deinem Denken verändert?
Miyabi: Oh ja! ich glaube nicht, dass ein Erlebnis wie dieses so spurlos an einem vorbeigeht. Die letzten 1 ½ Jahre waren nicht nur für die Menschheit sondern auch für mich sehr heftig. Erst Trennung, dann Kollaps, Nahtod, Not-OPs, und dann auch noch eine globale Pandemie – das war schon viel. Die Erfahrung, dass es so schnell gehen kann, dass man einfach weg ist und man es nicht kommen gesehen hat, das hat viel in mir verändert. Ich war schon immer ein sehr dankbarer Mensch, aber jetzt zu verstehen, dass man nie weiß, wieviel Zeit einem eigentlich bleibt, hat mich mutiger gemacht viele Dinge anzupacken und nicht bis auf weiteres zu verschieben. Noch kompromissloser zu mir zu stehen, Dinge zu tun, die mir Spaß machen wie zum Beispiel „Körperkram“. Nicht nur zu fühlen sondern einfach tun. Offener reden – über den Körper, aber auch über Bedürfnisse. Man muss lernen sich zu artikulieren und das war eine ganz wichtige Erfahrung, die mir da vor den Latz geknallt wurde. Ich habe viel positives aus dieser Erfahrung gezogen. Viele Lehren, viele schöne Erkenntnisse und wer während und nach so einer Zeit für einen da ist.
Schön gesagt! Was würdet ihr Müttern sagen, wie und ab wann sollte man Töchtern die Körperakzeptanz nahebringen?
Miyabi: Ich bin bei dem Thema immer vorsichtig, weil wir beide ja keine Mütter sind. Aber mein Gefühl ist es, dass es dafür keinen Zeitpunkt gibt. Ich glaube, dass es das Beste ist, wenn man cool mit sich und seinem Körper ist und das Töchtern auch vorlebt. Wir haben wundervolles Feedback auf „Körperkram“ von Müttern bekommen. Dafür, dass wir so offen und ohne Scham oder Ekel über alles sprechen. Mir als junges Mädchen hätte das sehr geholfen.
Vreni: Ergänzend dazu: Gleichberechtigung zu leben, ist für mich auch so ein wichtiges Anliegen. Ich habe vor wenigen Jahren erst festgestellt, wie geil das von meinen Eltern war, dass sie nie so etwas gesagt haben wie: „Du bist eine Frau, du kannst das nicht“. Ich finde es so cool wenn dieses Genderding durchbrochen wird. Wenn Jungs beispielsweise mit ihren Genitalien spielen wird darüber gelacht, aber sobald das ein Mädchen macht heißt es plötzlich: „Das macht man nicht“.
Das Frauen nicht riechen oder pupsen ist so ein Blödsinn.
Miyabi Kawai
Miyabi: Das hatten wir zuletzt auch beim Thema Selbstbefriedigung. Da haben wir darüber gesprochen, wann wir uns das erste Mal – ohne es zu wissen – selbst befriedigt haben. Da waren wir zwischen sechs und neun. Und damals wussten wir nicht, dass das Selbstbefriedigung oder ein Orgasmus war. Aber so etwas zu normalisieren, darüber zu sprechen, dass Sexualität zum Menschsein dazugehört und richtig ist, ist einfach wichtig. Oder das Frauen nicht riechen oder pupsen ist ja auch so ein Blödsinn. Und da hilft es manchmal einfach offen darüber zu sprechen. Sei es mit Pups-Geschichten.
Wie ist das Feedback, das ihr bisher zu eurem Podcast „Körperkram“ erhalten habt? Durchweg positiv oder gibt es auch kritische Stimmen, die vielleicht von eurer Offenheit angeekelt sind?
Vreni: Nicht eine einzige. Bisher haben wir nur positives, dankbares Feedback bekommen.
Miyabi: Ich bin auch positiv überrascht, dass einige Männer mir geschrieben haben, dass sie unseren Podcast interessiert hören und viel lernen. Wir reden ja über den weiblichen Körper und uns ist es ein Anliegen, dass Frauen lernen, bestimmte Themen zu enttabuisieren. Aber im Bestfall hören eben auch viele Männer den Podcast und lernen dadurch viel über den weiblichen Körper. Denn nur miteinander können wir das enttabuisieren.
Was habt ihr gemeinsam für die Zukunft geplant?
Miyabi: Wir heiraten demnächst (lacht). Nein, wir haben gemerkt dass wir uns nicht nur als Freundinnen, sondern auch beim arbeiten zusammen wohlfühlen. Wir würden natürlich super gerne weitere Staffeln von „Körperkram“ produzieren, es gibt noch so viel, worüber wir reden müssen. Vielleicht wäre es dann eine logische Konsequenz, ein Buch zu schreiben. Und dann vielleicht das Medium auszuweiten. Ich bin nämlich nicht der Meinung, dass Vreni oder ich zu alt sind für andere Formate. Wir haben Pläne und abreiten daran. Das Feld „Frauenthemen“ ist aber ein weites Feld und da gibt es noch viel zu tun.
Vreni: Genau, als nächstes kommt „Körperkram – das Buch“, „Körperkram – der Film“ (lacht). Mein Traum ist ja „Körperkram – die Talkshow“.
Miyabi: Genau, und dann auch mit Gäst*innen. „Körperkram“ ist ja bisher durchmischt von persönlichen Erfahrungen, Fun Facts, Statistiken und wissenschaftlichen Fakten. Und wenn wir das weiterführen, wird es auch Themen geben, von denen wir beide nicht betroffen sind. Da wäre es ganz interessant, wenn wir mal Gäste da hätten, die zum Beispiel über Themen wie Endometriose, Geburt oder ähnliches sprechen.
Das klingt doch toll! Kommen wir zur letzten Frage, mal ganz losgelöst von „Körperkram“: Was für eine Botschaft würdet ihr den Frauen da draußen gerne mit auf den Weg geben?
Miyabi: Meine Botschaft ist ja schon seit Jahren, dass man sich endlich wohl mit sich selbst fühlen soll. Es ist im Grunde eine Bitte zum glücklich sein. Und „Körperkram“ ist die Erweiterung dessen, dass wir viel Scham ablegen müssen, was unsere Körper und Bedürfnisse angeht. Wenn ich eins gelernt habe – auch wenn ich nicht immer gut darin war – ist das Kommunikation der Schlüssel dazu ist, glücklich zu werden. Über Dinge zu sprechen, die man möchte oder nicht möchte, mag oder nicht mag, hat oder nicht hat. Vielleicht animiert „Körperkram“ dazu, endlich offen über etwas zu reden und im Bestfall dadurch glücklich zu werden.
Kommunikation ist der Schlüssel dazu, glücklich zu werden und im Bestfall animiert „Körperkram“ dazu, endlich offen über etwas zu reden.
Miyabi Kawai
Vreni: Genau, mein Apell ist ehrliche Kommunikation – auch mit sich selbst. Und Frauen seid mutiger, denn Mut wird immer belohnt. Etwas, was ich schon lange lebe, ist: es gibt kein Scheitern. Das Wort gibt es in meinem Wortschatz einfach nicht. Wenn etwas nicht geklappt hat, dann gibt es immer einen Grund dafür. Sei es, dass du noch nicht soweit warst, oder dass es nichts für dich ist, oder dass du es einfach nicht kannst. Aber das alles ist kein Scheitern, sondern ein Learning für dein weiteres Leben. Man sagt ja immer: „Keine Angst vorm Scheitern“. Aber ich sage: Scheitern gibt’s gar nicht. Deswegen seid mutig und ehrlich!
Miyabi: Und Mut muss nicht laut sein und brüllen und nach vorne rennen. Mut kann auch einfach die Entscheidung sein, es am nächsten Tag nochmal zu versuchen. Mut kann sein, etwas anzusprechen. Wir haben beide – auch in „Körperkram“ – gelernt, dass etwas offen anzusprechen sehr befreiend sein kann.

Lust auf Mehr von Miyabi und Vreni? Die erste Staffel des Podcasts „Körperkram“ gibt es exklusiv auf Audible zu hören.