Die Wahl-Hamburgerin Melanie-Jasmin Jeske aka. Melodie Michelberger kennen sicher viele von Instagram. Neben ihrer PR-Agentur ist sie auch noch Aktivistin. Wir sprachen mit ihr über Mode, Karriere und Erfolg.
the Curvy Magazine: Haben Sie einen persönlichen Business-Look?
Melanie-Jasmin Jeske: „Ich empfinde es als Privileg, dass ich mich so kleiden kann, wie ich möchte. Ich bin meine eigene Chefin und ziehe an, worauf ich Lust habe.“
Müssen Frauen sich noch als Männer verkleiden, um ihre Macht zu demonstrieren?
zuschreiben würden?
Melanie-Jasmin Jeske: „Ich finde Frauen müssen sich nicht wie Männer anziehen oder benehmen, um beruflich erfolgreich zu sein. Allerdings wird in vielen Berufen immer noch erwartet, dass sich Frauen exakt so kleiden, wie ihre männlichen Kollegen – in dunklem Anzug und hellem Hemd – der gedeckte Anzug als Unisex-Arbeitsuniform der wenig Individualität zulässt. Es ist schade, dass der vorausgesetzte Kleidungsstil in manchen Branchen keinen Unterschied macht ob Frau oder Mann. Und ich finde die Annahme wirklich bizarr, dass Anzüge oder Blazer bei Frauen genauso funktionieren, wie bei Männern, sie wirken oft unvorteilhaft kastig. Ich finde Frau Merkel hat eine gute Lösung gefunden, sich ihrer Position angemessen zu kleiden, aber trotzdem eine persönliche Note hinzuzufügen: im Vergleich zu den Jacketts ihrer männlichen Kollegen sind ihre Blazer gerne richtig schön bunt. Sie hat Blazer in allen Farben des Regenbogens – das finde ich super! Denn es zeigt: die mächtigste Frau unseres Landes muss nicht auf schlichte, dunkelblaue Blazer zurück greifen, um erstgenommen zu werden. Es wäre doch schön, wenn sich noch mehr Frauen in Führungspositionen trauen würden, auch mal in bonbonfarben zur Arbeit zu erscheinen!“
Ist der Blazer eine Art weibliche Uniform?
Melanie-Jasmin Jeske: „Ich fühle mich absolut nicht wohl, wenn ich einen Blazer trage, deshalb besitze ich keinen einzigen. Für mich fühlt sich ein Blazer mehr nach Rüstung an, als nach einem Kleidungsstück, in dem ich frei sein kann.“
Hand auf’s Herz: Wie schwierig ist es wirklich, als kurvige Frau tolle Business- Klamotten zu finden?
Melanie-Jasmin Jeske: „In meinem Berufsalltag kann ich mich kleiden, wie ich mag. Ich laufe als bunte Wolke durch’s Leben und werde trotzdem ernst genommen. Ich bin mir aber absolut bewusst, dass das eine Besonderheit ist. Ich kann mir vorstellen, dass es für kurvige Frauen in der Tat eher schwierig sein kann, passende Business-Bekleidung zu finden, die nicht nach Kartoffelsack oder Zirkuszelt aussieht und darüber hinaus gut gefertigt ist. Meine Mutter trägt Größe 50 und ich weiß, wie schwer sie es hat, wirklich schöne und qualitativ hochwertige Kleidungsstücke zu finden, die obendrein auch noch nachhaltig produziert sind.“
Von der Moderedakteurin über PR-Managerin hin zur Selbstständigkeit. Wie hat Sie dieser Weg geprägt? Gab es Schwierigkeiten?
Melanie-Jasmin Jeske: „Ich war bereits in meiner Schulzeit davon überzeugt, dass ich einmal als Moderedakteurin arbeiten möchte, dass ich wenige Jahre später wirklich als Modeassistentin bei der Zeitschrift »Brigitte« anfing, ist einem glücklichen Zufall zu verdanken. Nach einigen Jahren bei verschiedenen Frauen- Magazinen hatte ich Lust auf eine Veränderung, vor allem, weil ich dem unerbittlichen Leistungsdruck großer Verlage entkommen wollte und so bin ich zu einem jungen Hamburger Unternehmen gewechselt. In der PR fühle ich mich wohl. Ich war immer schon eine begeisterte Kontakterin. Selbstständig zu arbeiten gibt mir vor allem die Freiheit, mit Menschen zu arbeiten, die ich schätze und inspirierend finde. Natürlich gab es auch Schwierigkeiten, eine ganze Mengen sogar! Meinen Weg geprägt hat auf jeden Fall meine Gabe, die Dinge manchmal nicht so ernst zu nehmen bzw. ihnen nicht so viel Beachtung zu schenken und einfach weiter zu machen!“
Was war der Grund zur Selbstständigkeit?
Melanie-Jasmin Jeske: „Es gab sehr viele Gründe, einer der Hauptgründe war, dass ich nicht mehr für Menschen arbeiten wollte, die ihre Mitarbeiter*innen behandeln wie Inventar, anstatt denkender und fühlender Menschen. Auch bin ich ein absoluter Freigeist – es fällt mir schwer, mich strengen Hierarchien unterzuordnen und Dinge zu tun, die ich für absolut unnötig halte.“
Michelberger PR unterstützt Lokale Labels aus Hamburg. Sollte das die Zukunft der PR sein?
Melanie-Jasmin Jeske: „Ich weiß nicht, ob die Zukunft von PR, die Zukunft von Mode auf jeden Fall! Für mich sind Nachhaltigkeit und faire Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie ein großes Thema. Lokal und nachhaltig produzierte Kleidung steht in direkter Konkurrenz zur Flut von Bekleidung, die in Billiglohnländern schnell zusammengenäht werden. Nicht nur für junge Labels ist es schwierig mit den ihnen vorhandenen Mitteln gegen diese billigst produzierte Ware anzutreten, da diese Billigware wiederum mit millionenschweren Kampagnen beworben werden. Und da unsere Innenstädte mit den immerzu gleichen Filialen internationaler Großkonzerte besetzt sind, müssen die jungen Designer zwangsläufig auf Orte mit weniger Laufkundschaft ausweichen, was den Kontakt mit potenziellen Käufern noch schwieriger macht. Deshalb setze ich mich besonders für lokale und nachhaltig fair produzierte Mode ein. Ich möchte mit meiner Arbeit nicht die Ausbeutung von Menschen und Ressourcen unterstützen!“
Karriere-Frau und Familie – das geht! Was ist Ihr Geheimnis?
Melanie-Jasmin Jeske: „Ich sehe mich selbst nicht als »Karriere«-Frau. Mir war schon immer am wichtigsten, unabhängig zu sein. Ich habe immer gearbeitet, schon als Schülerin während der Schulzeit und in den Ferien, während dem Studium und sogar während meiner Festanstellung als Mode-Redakteurin gleichzeitig in einer Bar. Meine Tante Hilde hat schon früh zu mir gesagt »wenn Du unabhängig sein möchtest, brauchst Du einen vollen Geldbeutel« – früher habe ich gedacht, sie meint damit, dass ich mir dann viele schöne Dinge kaufen oder Reisen kann. Heute weiß ich, dass sie das »auf eigenen Füßen stehen« meinte. Grundsätzlich finde ich es nicht einfach, gleichzeitig erfolgreich in einem Beruf zu sein und alleinerziehend ein Kind großzuziehen. Dieses permanente Gefühl, es niemandem recht zu machen kann sehr zermürbend sein. Kein Geheimnis aber sehr hilfreich: es ist total ok und super wichtig, sich frühzeitig Hilfe zu suchen. Ob arbeitende Mutter oder nicht. Müttern wird suggeriert, dass sie alles alleine schaffen müssen, das ist Blödsinn. Ohne die Unterstützung von Freundinnen und tollen Babysitterinnen, hätte ich meine Selbstständigkeit nicht so erfolgreich umsetzen können! Was ich lange Zeit nicht wusste: es gibt auch von der Stadt bzw. vom Bundesland bezahlte Unterstützung für die Kinderbetreuung, die über die Betreuungszeiten von KiTa und Schule hinaus geht! Das hätte ich gerne früher gewusst, denn lange Zeit konnte ich mir keine Babysitterin leisten.“
Sie sind im Netz omnipräsent. Ihr Instagram Account boomt. Wie stellen Sie das an? Und vor allem, wie gehen Sie damit um?
Melanie-Jasmin Jeske: „Oh je! Ich fühle mich ein bisschen ertappt! Ich hänge wirklich sehr viel bei Instagram ab, für mich ist diese App fast schon mein zweites Wohnzimmer geworden! Es ist ein bisschen wie ein unerschöpflicher Meetingpoint bei dem man immer wieder auf spannende Menschen trifft, sich austauschen kann und inspiriert wird! Ich habe tatsächlich sogar einige meiner engsten Freunde über Instagram kennengelernt. Mittlerweile passiert es mir auch immer mal wieder, dass ich im Supermarkt oder auf der Straße auf mein Instagram Account angesprochen werde, es ist spannend, wenn das virtuelle und echte Leben aufeinander treffen!“
Unter vielen Bildern findet man den #trustthegirls. Was hat es damit auf sich?
Melanie-Jasmin Jeske: „Wie meine Freundin Eva einmal ganz treffend sagte: »Früher hat man noch Lebensmittel getauscht und sich unter die Arme gegriffen. Heute kocht jeder sein eigenes Süppchen.« #trustthegirls hat etwas mit dem Zusammenhalt unter Frauen zu tun, mit gegenseitigem Support und unter die Arme greifen. Es bedeutet für mich ein unsichtbares aber starkes Support-Netz. Und das Netz funktioniert. Die positive Energie die entsteht, wenn sich Frauen gegenseitig unterstützen, sich fördern oder auch mal nur ehrlich loben anstatt sich gegenseitig zu blockieren ist wirklich ansteckend. Ich habe in der Vergangenheit schon ein paar mal erlebt, wie gegenseitiger Support unter Frauen Großes ins Leben gerufen hat. Aus dem Hashtag ist mittlerweile sogar ein online Magazin geworden, wo wir in unregelmäßigen Abständen unseren Senf auf (Frauen-)themen geben.“
Sie wurden einmal von einer große Marke für ein Plus Size-Shooting angefragt und das hat Sie sehr verstört. Warum?
Melanie-Jasmin Jeske: „Ich finde diese Einteilung in »Plus Size« und »Straight Size« grundsätzlich einfach überholt – die durchschnittliche Konfektionsgröße für Frauen in Deutschland ist heute eine 42 – also Plus Size. Der Durchschnitt der Frauen trägt also »Plus Size« und trotzdem wird es uns dicken Frauen so schwer gemacht, die passende Größe zu finden. Dieses Größentrennung finde ich diskriminierend und sie vermittelt Frauen ein Gefühl der Unzulänglichkeit. Ich wünsche mir von den Designern ein Umdenken, die veralteten Größenschemen den Gegebenheiten anzupassen. Was machen beispielsweise Frauen, die oben rum eine 36 tragen und unten eine 46 oder anders rum? Durch die Unterteilung von Plus und Straight Size wird eine Trennlinie geschaffen, die es uns Frauen schwierig macht, uns so zu kleiden, wie wir wollen und vor allem Frieden mit dem eigenen Körper zu schließen. Denn wie kann man sich selbstbewusst und schön fühlen, wenn man immer das Gefühl hat, nicht richtig zu sein – nicht wir Frauen müssen uns verändern sondern die Mode!“
Wie stehen Sie zu sich und Ihren Kurven?
Melanie-Jasmin Jeske: „Jahrelang habe ich so gelebt als gehöre mir dieser Körper gar nicht oder als gehöre er nicht zu mir. Heute vertraue ich meinem Körper und sehe ihn nicht mehr nur als bloße Hülle. Aber da hat Jahre gedauert. Eigentlich fühle ich mich erst jetzt, wo ich am »unperfektesten« und mit dem höchsten Gewicht rumlaufe richtig wohl in meinem Körper und schön! Ich war schon als kleines Mädchen pummelig, alleine schon das Wort – PUMMELIG! Das klingt doch wirklich unmöglich und absolut nicht wünschenswert. Ich wurde früher sehr oft gehänselt mit Sprüchen wie: »du hast ein Arsch wie ein Brauereipferd!« Ich fühlte mich lange Zeit unzufrieden und falsch, auch damals habe ich am Liebsten weit schwingende Röcke und bunte Kleider getragen, obwohl mir gesagt wurde, dass das nicht zu meiner Figur passt und ich lieber schlichte Sachen tragen soll. Ich hatte nie weibliche Vorbilder, die mit ihrem Körper zufrieden waren, die vor dem Spiegel standen und sagten »yes that’s me and I love what I see!« Meine Mutter, Tanten, Cousinen – alle Frauen mit denen ich aufgewachsen bin hatten body issues und es ging ständig um’s Abnehmen. Abnehmen war das Dauerthema meiner Kindheit und Jugend. Schrecklich! Es ist so wichtig Vorbilder zu haben. Ich wünsche mir für alle Mädchen ein unsichtbares Netz, das alle miteinander verbindet, empowered und Selbstbewusstsein ausschüttet! Dieses Netz müssen wir Frauen sein, vor allem die älteren Frauen. Wir müssen die Veränderungen einleiten, die uns selbst geholfen hätte.“
Vielen Dank für das schöne Interview!