Eine geschichtliche Übersicht und die Bedeutung von Feminismus heute.
Die Kolumne Fashion and Feminism ist gleichzeitig die Bachelor Thesis unserer Redakteurin, Claire. Und es wird spannend: Wie hängen Mode und Feminismus zusammen? Hat bodypositivity und Selbstliebe auch etwas mit Feminismus zu tun? Und welche Bedeutung hat Feminismus heute eigentlich noch? Diese und noch viele weitere Fragen werden wir im Laufe der nächsten Wochen klären, also bleibt dran!
Heutiges Thema: Was ist Feminismus eigentlich? Wenn man im Duden nachschlägt, findet man folgende Definition:
Fe-mi-nis-mus
Substantiv, maskulin [der]
ohne Plural
“Oberbegriff für verschiedene Strömungen, die sich für die Gleichberechtigung, Selbstbestimmung und Freiheit aller Geschlechter, v. a. von Frauen, und gegen Sexismus einsetzen, z. B. durch das Anstreben einer grundlegenden Veränderung gesellschaftlicher Normen (z. B. der traditionellen Rollenverteilung) und der patriarchalischen Kultur”
Das klingt erst Mal ziemlich schwammig. Schauen wir uns doch mal die Geschichte der Emanzipation der Frau etwas genauer an…
Die Ausgangslage: bevor Frauen anfingen, für sich einzustehen, durften sie weder wählen, noch hatten sie das Recht auf Grundbesitz. Gingen sie eine Heirat mit einem Mann ein, so galt 1765 in England noch folgendes Gesetz:
“Durch die Ehe sind Mann und Frau eine juristische Person, das heißt, das Wesen oder die rechtliche Existenz der Frau wird während der Ehe aufgehoben oder zumindest integriert und gefestigt in die des Mannes; unter dessen Fittichen, Schutz und Deckung sie alles tut.”
Kurz gesagt: Ohne die Erlaubnis ihres Mannes, durfte eine Frau nichts. Allerhöchste Zeit also etwas zu tun! Das Jahr 1848 zeichnet die Geburtsstunde der Ersten Welle des Feminismus (insgesamt zählt man drei bis vier). Zwar setzten sich schon davor vereinzelte Frauen für die Gleichberechtigung ein, doch eine richtige Bewegung gab es noch nicht.
1848 also. Denn in diesem Jahr fand die Seneca Falls Convention statt, die erste Frauenrechtsversammlung in den USA. Diese Versammlung war der Startschuss für die Suffragetten-Bewegung, mit dem Ziel das Wahlrecht für Frauen zu sichern. Leiterin der Suffragetten wurde Emmeline Pankhurst, doch es gab in der Bewegung verschiedene Strömungen: Manche hielten sich strikt an rein rhetorische Mittel, andere griffen zu weitaus härteren Methoden – sie schlugen Fenster mit Steinen ein, gingen in Hungerstreiks oder planten Überfälle auf das Parlament. Selten kamen sie unbestraft davon, immerzu mussten sie mit Gefängnisaufenthalten und Brutalität der Polizei rechnen. Vor allem Frauen aus der Arbeiterklasse wurden hart bestraft. Kleiner Tipp am Rande: der Film “Suffragette” mit Meryl Streep ist unterhaltsam und gleichzeitig super interessant und lehrreich! 1928 zahlten die Proteste sich dann endlich aus – Frauen in Großbritannien bekamen endlich das Wahlrecht. In der Schweiz kann man übrigens erst seit 1990 in allen Kantonen auch als Frau wählen! Unfassbar, oder!?
Nachdem erste Ziele erreicht waren, ebbte die erste Welle des Feminismus in den 20er Jahren langsam ab. Aber von Gleichberechtigung kann noch lange nicht die Rede sein! Grund für eine Zweite Welle des Feminismus! Diese fand in den 1960er-1980er Jahren statt. Das Ziel diesmal? Volle Gleichberechtigung! Gleichberechtigung in der Arbeitswelt, sexuelle Freiheit (das heißt Zugang zu Verhütungsmitteln und Abtreibungen) und Freiheit von sexueller und physischer Gewalt. Abtreibung und auch Verhütungsmittel sind in vielen Ländern mittlerweile frei zugänglich (obwohl es da in den USA ja momentan Tendenzen zum Rückschritt gibt), aber bei den anderen beiden Themen gibt es auch heute, 40 Jahre später immer noch viel zu tun! Stichwort: gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit…
Die Dritte Welle des Feminismus in den 90ern war im Gegensatz zu den ersten beiden viel inklusiver. In der Ersten und Zweiten Welle des Feminismus standen weiße Frauen aus der Ober- und Mittelschicht im Vordergrund. Zum ersten Mal ging es nun auch um Frauen verschiedener Ethnien, verschiedener Religionen und verschiedener sexueller Orientierungen. Sexuelle Befreiung bekam in der Dritten Welle eine neue Bedeutung: Gender wurde getrennt von Geschlecht gesehen – so ist Geschlecht etwas bei Geburt zugewiesenes, Gender hingegen hat etwas mit der persönlichen Identifikation zu tun. Die persönliche Sexualität sollte nicht nur frei ausgelebt werden können, sie war mit Idolen wie Madonna auch eine Quelle des Empowerment. Außerdem wurden typisch weibliche und typisch männliche Attribute immer verschwommener. Es ging nicht mehr darum, einer vorgegebenen Norm zu entsprechen, sondern um die eigene, individuelle Entfaltung der Persönlichkeit.
Eine Vierte Welle des Feminismus gibt es nur inoffiziell. Aber in Zeiten, in denen es möglich ist, dass ein Mensch wie Donald Trump – der sich nicht selten öffentlich frauenfeindlich äußert – Präsident des mächtigsten Kontinents dieser Erde wird, würden wir sagen, wir haben Feminismus ganz dringend nötig! Durch das Internet waren Wissen und Informationen noch nie so leicht und schnell zugänglich wie heute. Nur durch das Worldwide Web war etwa die #metoo Bewegung überhaupt möglich.
Wir haben so viele Rechte und Freiheiten, wie noch nie und trotzdem gibt es in unserer Gesellschaft immer noch viele Probleme, viele Ungleichheiten und immer noch ist sexuelle Gewalt eine große Bedrohung für uns Frauen. Erst neulich lief ich durch die U-Bahn Haltestelle und ein fremder fasste mir an meinen Hintern. Geschichten wie diese sind leider kein Einzelfall. Das fiel auch Laura Bates auf, woraufhin sie die Website Everyday Sexism gründete. Dort erzählten hunderttausende Frauen ihre Geschichten: Eine Frau, die sich auf den Schoß ihres Chefs setzen sollte, um ihren Weihnachtsbonus zu bekommen; eine Frau, deren Chef ihr wiederholte Male auf den Hintern schlug, ihr danach ins Dekolleté schaute und ihr sagte, dass sie schon weiß, warum er sie angestellt hat; eine Frau, der die Wahl gegeben wurde, entweder eine Abtreibung zu bekommen oder zu kündigen, als sie schwanger wurde; und unzählige Frauen, die von Fremden begrapscht wurden. Sexismus ist eine traurige Wahrheit unseres Alltags. Von den Drohungen vergewaltigt oder ermordet zu werden, die Laura Bates bekommt, nur weil sie sich öffentlich für Gleichberechtigung ausspricht, will ich gar nicht erst anfangen.
Jahrelang haben Frauen geschwiegen, da sie diese Art von Verhalten einfach schon gewohnt sind. Doch das Internet macht uns erst klar, in welchem Ausmaß solche Übergriffe stattfinden. Das Internet gibt uns eine Community an Frauen, die das Gleiche erlebt haben. Eine Community, die hinter uns steht und uns die Kraft gibt, solches Verhalten anzuzeigen. Denn ganz simpel gesagt: Wenn dich jemand auf sexuelle Art irgendwo am Körper anfasst und du ihm nicht deine Zustimmung gegeben hast, ist das ein tätlicher Angriff und somit eine Straftat. Auch wenn uns oft das Gefühl gegeben wird, es sei nicht so schlimm, Frauen sollen sich nicht so aufregen und lernen ein Kompliment anzunehmen – wir können es nicht länger akzeptieren.
Heutzutage wird man schnell belächelt, wenn man sich als Feministin bezeichnet. Der Begriff ist oft eher negativ besetzt, der Begriff Emanze ist fast schon ein Schimpfwort, denn in den Köpfen der Menschen herrschen Vorurteile: Feministinnen rasieren sich nicht, sie tragen keine BHs und verachten Männer! Solche Feministinnen mag es durchaus geben, doch so wie schon immer in der Geschichte gibt es viele verschiedene Strömungen innerhalb der Bewegung. Für manche mag Feminismus auch einfach nur bedeuten, dass sie an gleiche Rechte für alle glauben und sich dafür auch einsetzen.
Letztendlich muss aber jeder zugeben, dass wir den Feministinnen der Geschichte unglaublichen Dank schulden. Ohne sie und ihren Einsatz wäre es für eine Frau wahrscheinlich immer noch nicht möglich, eine Schule zu besuchen, zu studieren und eine Karriere zu haben. Ohne Frauen wie Emmeline Pankhurst würden wir womöglich immer noch zuhause am Herd stehen, putzen und kochen und darauf warten, dass unser Mann nach Hause kommt (was übrigens kein Problem ist – so lange du es aus eigener Wahl tust!). Oder glaubt ihr, die Männer wären irgendwann von selbst auf die Idee gekommen, ihre Machtposition aufzugeben und uns freiwillig mehr Rechte einzuräumen?
Dieser Artikel ist eine kleine geschichtliche Übersicht, die die Basis für die folgenden Artikel dieser Kolumne bildet. Fashion and Feminism wird sich damit befassen, wie Mode und die Emanzipation der Frau sich in den letzten 120 Jahren gegenseitig beeinflusst haben und wie sich Feminismus in der heutigen Mode ausdrückt.