Mode in der dritten Welle des Feminismus.
Nach dem Ende der Zweiten Welle des Feminismus gab es unter jungen Frauen den Glauben, dass Feminismus der Vergangenheit angehöre. Man fühlte sich distanziert davon, denn Feminismus hatte ein gewisses Stigma: Es herrschte das Klischee von männerhassenden, behaarten alten Frauenrechtlerinnen. Selbst wenn man an Gleichberechtigung glaubte, wollte man nicht mit dem F-Wort in Verbindung gebracht werden.
Dunkelhäutige Frauen fühlten sich schon lange von der Bewegung ausgegrenzt, denn in den ersten beiden Wellen fanden sie und ihre Bedürfnisse keine Beachtung. Feminismus war bis zu den 90ern so etwas wie eine exklusive Bewegung für weiße hetero Frauen der Mittel- und Oberschichten. Männer fühlten sich von Feministinnen kritisiert und als “die Bösen” dargestellt, obwohl es auch unter Männern potenzielle Verbündete gegeben hätte. Zeit also den Begriff Feminismus umzudenken. Auch wenn im Duden steht, es gebe keinen Plural von Feminismus, so gibt es doch verschiedene Strömungen, Meinungen und Wellen. In der Dritten Welle fanden diese verschiedenen Strömungen zusammen.
Am meisten eint ein gemeinsamer Feind
Die dritte Welle des Feminismus war viel inklusiver als die bisherige Frauenbewegung, sie war geprägt durch Intersektionalität – plötzlich wurden auch die Bedürfnisse dunkelhäutiger, homosexueller, bisexueller, behinderter und weniger wohlhabender Frauen berücksichtigt. Noch immer ist unsere Gesellschaft stark heteronormativ geprägt, Heterosexualität wird immer noch als die Norm angesehen und erst langsam fangen wir an zu begreifen, dass das bei der Geburt zugeordnete Geschlecht nichts mit sexueller Orientierung oder Identität zu tun hat. In den 90ern beschäftigte man sich zunehmend mit solchen Themen und hinterfragte alte Sichtweisen. Wo man sich vorher bewusst von homosexuellen Frauen distanzierte, man davon ausging, dass sie die Frauenbewegung nur aufhalten und von den Zielen ablenken würden, waren sie nun zentraler Teil der Bewegung.
Riot Grrrls: Girl wird zu einem trotzigen Knurren
Vorangetrieben wurde die Frauenbewegung großenteils durch die Riot Grrrls, die sich durch Grunge Musik und das Verteilen von selbstgestalteten Zines (magazinartige Publikationen) für Frauenrechte stark machten. In der Bewegung der Riot Grrrls wurden mehrere Girl-Bands gegründet, die mit ihrer aggressiv-wütenden Attitüde und ihren politischen Texten das Patiarchat anprangerten.
“Hey girlfriend
Bikini Kill – Double Dare ya
I got a proposition goes something like this:
Dare ya to do what you want
Dare ya to be who you will
Dare ya to cry right out loud”
Dabei zeigten sie sich selbstbewusst und aufreizend gekleidet. Sie eroberten typisch weibliche Details zurück und bauten in ihre Looks gern Schleifchen, Herzen und die Farbe Pink ein. Ein verspieltes Babydoll-Kleid wirkte an einer Grunge Anhängerin plötzlich taff, wenn sie dazu Converse Chucks und ein Skateboard trug. Front Sängerin der Band Bikini Kill, Kathleen Hanna war bekannt für Bühnenauftritte, bei denen sie etwa das Wort “Slut” (Schlampe) auf ihren nackten Bauch geschrieben hatte. Weder mit ihrem Verhalten noch mit ihrem Aussehen passten die Riot Grrrls in das stereotypische Bild einer gut erzogenen Frau – es war eine Rebellion! Gegen die Zwänge des Patriarchats, gegen klassische Schönheitsideale und gegen die veralteten Erwartungen an eine Frau.
Spice, Spice Baby!
Zwar das Gegenteil von Grunge, aber auch die Spice Girls wurden Mitte der 90er zum Vorbild für viele junge Mädchen und auch sie verkörperten Girl Power! Wo die Riot Girrrl Bewegung eher in amerikanischen Subkulturen beliebt war, machten die Spice Girls feministische Parolen dem Mainstream zugänglich. Mit ihren fünf distinktiven Charakteren – Scary, Baby, Ginger, Sporty und Posh Spice – gaben sie Teenagern Mut, sie selbst zu sein und ihre Individualität zu feiern. Wo früher galt, Frauen seien schwach und dumm, war es plötzlich richtig cool eine Frau zu sein. Ihre Songs handelten von Freundschaften unter Frauen, davon sich selbst an erste Stelle zu setzen, wodurch sie Stärke und Selbstbewusstsein vermittelten. Und das in ganz schön knappen Outfits: Die Sängerinnen waren verdammt sexy, zeigten viel Haut, trugen meilenhohe Plateau Schuhe, Leoprints, Neon und Latex. Einige Jahrzehnte vorher versuchte man sich noch gegen Geschlechterklischees durchzusetzen – Lippenstift oder High-heels zu tragen, wurde oft als antifeministisch angesehen und verpönt. Doch in den 90ern wehrte man sich gegen jegliche Rollendiktate – ganz egal von welcher Seite sie kamen, ob von Männern oder Frauen. Make-up, rasierte Beine und kurze Kleidchen waren nicht mehr der Feind, kein Ausdruck mehr von Unterdrückung, sondern ein Zeichen von sexueller Freiheit und Empowerment.
„Wir wollen, dass die Mädels überall auf der Welt ihre Power entdecken und Spice Girls werden. Wir sind nicht bloß eine Band. Die Spice Girls sind eine Bewegung, eine Art religiöser Kult, bloß viel lustiger.“
Geri Halliwell
Bitch, please!
Ein zentrales Thema der Dritten Welle des Feminismus war es, abwertende Begriffe wie Schlampe oder Bitch zurückzuerobern und ihnen die Bedeutung zu nehmen. Dazu trug auch das Bitch Magazine bei. 1996 startete es als Zine, das aus dem Kofferraum eines Kombiwagens heraus verteilt wurde. Das Magazin bezeichnet sich (noch heute) als die feministische Antwort auf Mainstream Medien und Populärkultur. Ihr Motto: “Wenn eine aufgeschlossene, offen sprechende Frau zu sein bedeutet, eine Schlampe zu sein, nehmen wir es als Kompliment”. Wenn Frauen sich selbst als Schlampe oder Bitch bezeichnen, nimmt das dem Wort die Kraft, sie zu verletzen.
Das gleiche Prinzip wendeten 2011 tausende Frauen beim ersten Slutwalk an. Im Januar des gleichen Jahres hatte der Polizeibeamte Michael Sanguinetti bei einem Vortrag in Toronto über präventive Verbrechensbekämpfung folgendes geäußert:
“Frauen sollten es vermeiden, sich wie Schlampen zu kleiden, um nicht zum Opfer zu werden.”
Die Antwort darauf: Tausende gingen auf die Straßen, um zu demonstrieren. Denn mit seiner Aussage schob der Polizeibeamte den Opfern von sexuellen Übergriffen eine Mitschuld an der Tat zu. Er hätte genau so gut sagen können, freizügige Kleidung sei eine Aufforderung, gar eine Einladung dazu vergewaltigt zu werden. Und diese Meinung vertritt dieser Beamte leider nicht alleine…
Die sogenannten Slutwalks werden seitdem weltweit nachgeahmt. Das Auffällige dabei: Viele der Demonstrierenden zeigen sich bei den Märschen provokant und freizügig, sie tragen Strapse und Unterwäsche, haben sich Schlampe auf den Körper geschrieben und tragen Schilder auf denen Sprüche stehen wie: “My little black dress doesn’t mean yes!”
Nach drei Wellen des Feminismus und zum 100-jährigem Jubiläum des Frauenwahlrechts in Deutschland würde man meinen, die absolute Gleichberechtigung wäre langsam erreicht worden. Leider gibt es auch heute weltweit noch viel zu viele Ungleichheiten, doch dazu mehr nächste Woche…
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