Wie Kleidung die Freiheit der Frau einschränkt(e).
Mode kann uns Kraft geben: Ein Powersuit mit Schulterpolstern verleiht uns mehr Autorität, ein schönes Kleid kann uns Selbstbewusstsein schenken und ein gutes Paar High Heels kann uns das Gefühl geben, dass uns nichts aufhalten kann.
Heute kann Mode ein Ausdrucksmittel unserer Persönlichkeit sein. Wir tragen, was wir wollen und was unserem individuellen Geschmack entspricht – doch das war nicht immer so. Früher war die Mode dominiert von Männern und genau diese entschieden auch über Trends und Schönheitsideale – denn weibliche Designer gab es noch keine. Der Körper der Frau hatte sich diesen konstant wechselnden Schönheitsidealen anzupassen. Und so wurde Mode systematisch benutzt, um Frauen klein zu halten. Kleidung wurde zu einem Instrument um Frauen mental, wie auch physisch zu kontrollieren. Eine Frau hatte schön auszusehen, ob sie sich bewegen oder atmen konnte, spielte da keine Rolle.
Das Korsett
Was ein Korsett ist, wissen wohl die meisten: es ist eine Art versteiftes Mieder, das mithilfe von engen Schnürungen und Fischbeinstäben die gewünschte Figur erzeugt. Vom 16. bis 20. Jahrhundert gehörte es on und off zum unverzichtbaren Bestandteil der Garderobe der Frau. Das Korsett formte eine extrem schmale Taille, einen flachen Bauch und Busen und drückte letzteren nach oben. Frauen, die ein Korsett trugen waren in ihrer Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt: sie konnten ihre Arme nicht über den Kopf heben, sich nicht schnell bewegen und waren gezwungen immer eine aufrechte Haltung zu bewahren. Sie litten oft unter Atemnot, Organschäden und Fehlbildungen der Wirbelsäule. Nicht selten fielen Frauen in Ohnmacht, wenn sie wegen ihres Korsetts keine Luft bekamen – mit einem verklärten Blick findet man es vielleicht romantisch, wenn sie in die Arme eines Mannes fällt, sie dann erwacht und das Paar sich lange und innig in die Augen blickt – Elizabeth in Fluch der Karibik zeigt uns, wie es auch anders gehen kann: sie fällt kurzerhand von einer Klippe – so gar nicht romantisch!
Die Krinoline
Die Krinoline ist eine Form des Reifrocks, die im 19. Jahrhundert so populär war, dass es eine echte Crinolinemania gab, denn sie war nicht nur in der Oberschicht weit verbreitet, sondern auch in der Arbeiterschaft sehr beliebt. Die Unterröcke wurden aus Fischbein oder später aus Stahl hergestellt und erreichten in ihren üppigsten Zeiten einen Durchmesser von bis zu drei Metern. Die Krinoline behinderte Frauen beim Gehen, sie war sperrig und schwer. Besonders, wenn mehrere Frauen anwesend waren wurde es oft schwierig, die exzessiven Kleider zu navigieren. Problematisch wurde es auch oft beim Durchqueren von Türen oder beim Besteigen einer Kutsche. Kein Wunder, dass zahlreiche Frauen ums Leben kamen, wenn sie beim Vorbeigehen an einer offenen Flamme aus Versehen ihr Kleid in Brand setzten.
Humpelröcke
Der Name sagt ja schon aus, wie absurd dieser Trend war. Humpelröcke kamen 1910 in Mode. Sie waren fast bodenlang und liefen nach unten hin sehr schmal zu, sodass Frauen lediglich kleine Trippelschrittchen machen konnten. Wieder gab es reihenweise Unfälle: Frauen fielen Treppen herunter, kamen nicht schnell genug über die Straße oder verletzten sich beim Ein- und Aussteigen aus Autos und Kutschen. Die Presse und die Öffentlichkeit machten sich gern über den Trend lustig. Eine Postkarte von 1911 etwa zeigt eine Frau im Humpelrock, die Unterschrift lautet: “The hobble skirt: what’s that? Its’s the speed limit skirt”. Der englische Name Hobble Skirt stammt übrigens vom Begriff hobble ab – Fußfesseln, die bei Pferden benutzt wurden, um sie vom weglaufen zu hindern.
Lotusfüße
Nicht nur in der westlichen Welt litten Frauen unter unpraktischen und gesundheitsgefährdenden Modetrends. Eines der schockierendsten Schönheitsideale stammt wohl aus China.
Etwa tausend Jahre lang praktizierte man in China die Tradition des Füße Bindens: die Füße wurden in warmem Wasser mit Kräutern eingeweicht, anschließend bog man die kleinen Zehen unter den Fuß, um sie dort mit Baumwolltüchern festzubinden. Oftmals mussten Zehen gebrochen werden, um die gewünschte Form anzunehmen. Bereits im Alter von vier bis fünf Jahren bekamen Mädchen zum ersten Mal die Füße gebunden. Die Prozedur wurde ständig wiederholt, bis die Füße permanent deformiert waren. Das Ziel dieser qualvollen Praxis? Füße sollten nicht größer als 10cm (entspricht etwa Schuhgröße 17) wachsen, denn kleine Füße galten als besonders attraktiv. Die daraus resultierende Hilflosigkeit der Frau rief in Männern einen gewissen Beschützerinstinkt hervor. Die Frau war an den Mann gebunden und komplett von ihm abhängig, denn die sogenannten Lotusfüße brachten einige Probleme und Gefahren mit sich. Laufen war nur noch unter Schmerzen möglich, weshalb dieser Trend auch ausschließlich für wohlhabende Frauen reserviert war, denn Frauen der unteren Schichten hätten mit gebundenen Füßen keine Arbeit mehr verrichten können. Oft kam es zu Infektionen der Knochen oder eingewachsenen Zehennägeln, einzelne Zehen starben sogar komplett ab. Trotzdem praktizierte man dieses grausame Ritual noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts bevor es 1949 endlich verboten wurde.
Kopftücher
Das Thema der Verschleierung im Islam wurde in den letzten Jahren viel diskutiert. Die einen wollen das Kopftuchtragen verbieten, die anderen sehen es als Ausdruck der Religionsfreiheit. Doch was ist wirklich dran?
Eines vorweg: Wir wollen niemandem etwas verbieten! Wir respektieren es, wenn jemand aus religiösen, kulturellen oder sonstigen Gründen eine Verschleierung trägt und dies aus freiem Willen tut. Leider gibt es aber weltweit viel zu viele Frauen, die keine Wahl haben, die sich jeden Tag verschleiern müssen, wollen sie das Haus verlassen. In vier Ländern ist es noch im Gesetz verankert: In Saudi Arabien, im Iran, Sudan und in der Aceh Provinz Indonesiens ist eine Form der Verschleierung Pflicht. Und dieses Gesetz wird oft unter Gewalt durchgesetzt. Doch auch in anderen Ländern haben Frauen nur scheinbar eine Wahl. Oft unterliegen sie sozialem Druck oder dem der Familie – ihr habt bestimmt schon von sogenannten Ehrenmorden gehört: junge Frauen, die sich nicht an die Verhaltensregeln der Familie halten, werden von männlichen Angehörigen ermordet, um die Ehre der Familie wiederherzustellen. Das Tragen einer Verschleierung geschieht eben oft nicht aus freier Wahl. In vielen Fällen ist es ein
Instrument, um Frauen zu unterdrücken. Sie soll sich verschleiern, um den männlichen Blick von sich zu lenken, um nicht das sexuelle Verlangen in Männern zu wecken. Eigentlich eine ganz schöne Beleidigung an die Männerwelt, denn ihnen wird nicht zugetraut, ihre Fleischeslust im Zaum zu halten. Gleichzeitig ist das ein indirektes Statement, was auf der gleichen Argumentationslinie liegt, wie Vergewaltigungsopfern die Schuld für die Tat zuzuschieben, nur weil sie einen kurzen Rock oder ein knappes Shirt trugen. Abgesehen davon, wird beispielsweise die Trägerin einer Burka extrem eingeschränkt in ihrem alltäglichen Verhalten: Essen, Trinken und Reden stellt für die komplett verschleierte Frau ein Hindernis dar.
Mit diesem und dem letzten Artikel haben wir eine Grundlage gebildet: Ihr habt nun einen historischen Überblick über die emanzipatorische Bewegung der Frau und wisst, wie Mode benutzt wurde, um Frauen einzuschränken. Nächste Woche werden wir uns anschauen, wie Frauen Mode benutzten um ihre Bewegung voranzutreiben.