Comedian Frau Andrea: Vom Burnout auf die Bühne
Andrea Müller wechselte den sicheren Posten als Beamtin gegen die Bühne und lebt damit ihren Traum. Quirlig, selbstironisch und frech tourt sie mit ihrem Programm “Starke Weiber dürfen mehr” durch Deutschland. Immer mit dabei: Ihr Markenzeichen: Die rote Federboa. Wir trafen die 44-jährige nach einem ihrer Auftritte in München zum Interview und sprachen mit ihr über Humor, Bodyshaming und Selbstverwirklichung.
Du hattest dein Debüt vor drei Jahren. Was hast du vorher gemacht?
Ich war Beamtin im Rechtsdienst. Ganz klassisch, ganz langweilig.
Warum hat es so lange gedauert bis du dich auf die Bühne getraut hast?
Es war schon immer in mir drin. Eigentlich wollte ich Schauspielerin werden, durfte damals aber nicht. Dieser Berufswunsch war zu DDR Zeiten verrufen. Meine Eltern meinten, ich solle etwas Vernünftiges lernen. Also habe ich studiert und wurde Rechtspflegerin und habe in diesem Beruf bis 2011 gearbeitet.
Gab es dann einen konkreten Auslöser für deine berufliche Neuorientierung?
Ich hatte 2011 ein Burnout, das bei mir alles auf den Kopf gestellt hat. Dann ging es darum etwas Neues zu machen. Eine Freundin hat mich dann mehr oder weniger auf die Bühne geschupst. Sie ist Coach und erkannte mein Talent, das ich selbst nicht sehen konnte. Ich hatte keinen Text, kein Programm, nichts. Ich habe dann einen Workshop bei Lisa Fitz besucht, bei dem ich die ersten Schritte gelernt habe und dann bin ich bei besagter Freundin aufgetreten. Endlich konnte ich das machen, was ich wollte und hatte den Mut zu springen. Es ist schon der Wahnsinn, wie sich das in den letzten drei Jahren entwickelt hat, damit hätte ich nie gerechnet.
Wie hat deine Familie reagiert als du gesagt hast: „Ich werde jetzt Comedian“?
Darüber haben wir auf dem Weg hierher erst wieder gesprochen. Sie haben mich von der ersten Minute an unterstützt. Mein Mann kennt mich ja nun auch schon sehr lange, seit 1984, er wusste, dass es mein Traum ist und stand immer hinter mir.
Wie ist es jetzt für dich auf der Bühne zu stehen? Hast du Lampenfieber oder denkst du „Das ist genau der Ort, wo ich hingehöre“?
Ich gehör da hin, das ist mein Platz und ich habe auch keine Angst vor Menschen aufzutreten. Ich liebe es mit ihnen zu interagieren. Aber vor dem Auftritt bin ich immer noch wahnsinnig nervös. Ich habe jedoch die Erfahrung gemacht: Je aufgeregter ich bin, desto besser wird die Show.
Kommen die Ideen für deine Auftritte alle aus deinem Leben?
Es sind natürlich viele Geschichten, die ich erlebt habe und jetzt deutlich überspitzt vortrage. Davon lebt ja die Comedy. Aber es sind alles Geschichten aus meinem Leben.
Bist du Zuhause auch die Ulknudel oder eher die Strenge Mama?
Nein, streng bin ich nicht. So wie ich auf der Bühne bin, bin ich auch im Privaten. Ich bin sehr authentisch. Ich bin nicht die übelste Partymaus, wie man vielleicht denken könnte. Wenn die Leute nach der Show noch etwas trinken gehen, ziehe ich mich lieber zurück. Vor den Auftritten bin ich den ganzen Tag angespannt und die eineinhalb Stunden Show sind wie ein Marathonlauf. Danach bin ich froh, wenn ich meine Ruhe habe. Aber natürlich laden uns viele ein, weil wir gut drauf sind, das ist eine Lebenseinstellung.
Welches Verhältnis hast du zu deinem Körper?
Erfolg braucht Platz. Ich stehe ihm mittlerweile wohlwollend gegenüber. Ich bin so wie ich bin und das macht mich auch aus. Wenn ich 90-60-90 Maße hätte, müsste ich mein ganzes Programm umschreiben. Das ist so viel Arbeit, da bleibe ich lieber so, wie ich bin. Natürlich könnten es 20 Kilo weniger sein, dann würde auch das Knie nicht mehr wehtun, aber es ist okay. Ich bin mit mir im Reinen.
Wurdest du schon mal das Opfer von Bodyshaming?
Natürlich! Einmal sagte jemand zu mir: „Boah, bist du fett.“ Ich gucke ihn an und erwiderte: „Ach du scheiße, wann ist das denn passiert?” Dann war das Thema durch.
Ist Humor die beste Waffe, um solchen Hatern den Wind aus den Segeln zu nehmen?
Absolut. Es gibt verschiedene Arten zu reagieren: Entweder du ignorierst es oder du schlägst zurück. Es gibt einen Satz, den ich auch einem meiner Söhne gesagt habe, als er gemoppt wurde, weil er ein bisschen pummeliger ist, der lautet: Ich kann abnehmen, aber du bleibst blöd. Der trifft es einfach auf den Punkt.
Warst du schon immer so selbstbewusst?
Nein, ich war nicht immer so selbstbewusst. Ich war zerfressen von Selbstzweifeln. Was dann auch der Auslöser für den Burnout war. Ich kam durch viele Seminare und Persönlichkeitsentwicklungen dahin, wo ich heute bin. Dieses positive Denken war aber schon immer in mir drin. Es war nur zwischendurch ein bisschen verschüttet und jetzt darf es wieder raus.
Welchen Tipp hast du für Frauen, die ihrem Körper nicht so wohlwollend gegenüberstehen?
Du kannst dich nur annehmen. Wenn du dich annimmst, so wie du bist und mit dir selbst im Reinen bist, dann kannst du auch alles erreichen. Selbstliebe ist der Schlüssel.
Das ist leichter gesagt, als getan. Wie kommt man da hin?
Das ist eine Einstellung. Es mag vielleicht blöd klingen, aber wir haben überall im Haus Zettelchen kleben auf denen solche Sachen stehen, wie: Ich bin eine tolle Frau! Ich bin gut und richtig so! Ich wurde nach dem Motto erzogen: Das kannst du noch besser, ein bisschen besser geht aber noch. Aber dann habe ich angefangen diese Persönlichkeitsentwicklung zu machen und gelernt, mich so anzunehmen wie ich bin. Denn ich dachte mir: Ich kann den ganzen Tag jammern oder ich sage: Okay, so wie du bist, bist du richtig. Ich bin so, ich stehe zu mir, ich stehe zu meinem Körper, zu meinem Gewicht, zu meiner Größe, zu meinem Wesen. Wenn du das einmal wirklich für dich akzeptierst, dann ist das einfach so und du fängst an, dass auch auszustrahlen. Diese Erkenntnis ist ganz wichtig. Du bist so und du bist genauso wie du bist gut und richtig, und wer das nicht so sieht, der kann aus deinem Leben gehen. Das war ein Prozess, das ist nichts, was durch einmal schnipsen da ist. Ich durchlaufe diesen Prozess seit vier Jahren und mache Mindset-Seminare, bei denen ich gelernt habe wieder an mich selbst zu glauben.
Kann man das auch alleine schaffen oder würdest du empfehlen Seminare zu besuchen?
Ich würde auf jeden Fall empfehlen Seminare zu besuchen. Alleine hätte ich es nicht geschafft. Ich finde es auch immer wichtig, dass du Menschen um dich hast, die zu dir stehen. Von Menschen aus meinem Umfeld, die mich immer auf meine Fehler hingewiesen haben, habe ich mich gelöst. Du kannst deine Umwelt nicht verändern, du kannst nur dich selbst ändern und wenn du dich veränderst, ändert sich auch dein Umfeld. Das ist total spannend. Es bleiben Menschen da, die fahren noch ein Stück mit dem Zug mit, andere steigen aus, neue kommen dazu. Das macht das Leben so spannend und so schön. Und wenn du liebst, was du tust, dann ist es scheißegal, wie du aussiehst – groß, klein, dick, dünn.
Finden dich deine Kinder witzig?
Ja. Viele sagen: Du musst mit deinen Kindern auf die Bühne! Wir liefern uns oft einen verbalen Schlagabtausch. Wir lachen allgemein sehr viel. Meine Kinder sind stolz auf ihre Mama. Sie kommen gerne mit zu meinen Auftritten. Der Kleinste verkauft unglaublich gerne die Merchandise-Artikel und macht dabei einen hammergeilen Umsatz. In den Ferien nehme ich ihn mit und er darf das machen. Meine drei Jungs stehen voll hinter mir.
Was magst du an dir besonders?
Meine Augen. Sie strahlen meine Herzlichkeit aus.
Und dein Mann?
Ich glaube auch meine Herzlichkeit, mein Lachen und dass es mit mir nie langweilig wird.
Wie wichtig ist Humor für eine Beziehung?
Essentiell. Ich finde es total wichtig, dass man über sich selbst und den Partner lachen kann. Aber vor allem mit dem Partner. Wir lachen so viel und oft. Natürlich auch in unterschiedlichen Situationen, der eine über das, der andere über das, aber auch viel gemeinsam.
Über wen oder was kannst du dich kaputtlachen?
Wenn sich irgendjemand erschreckt. Da könnte ich mich kaputtlachen. Ralf Schmitz finde ich als Comedian/Kollegen super. Er ist mein Vorbild. Seine Improvisationen sind großartig. Seine Shows zu besuchen, ist für mich, wie ein Workshop, ich kann noch unheimlich viel von ihm lernen.
Was wünschst du dir für die Zukunft?
Gesund zu bleiben und meinen Traum weiter leben zu können.
Gibt es schon einen kleinen Ausblick auf deine Projekte im nächsten Jahr?
Ich werde erst 2021 mit einem neuen Programm starten. 2020 will ich die ersten Fernsehauftritte angehen. Die Ladys Night steht ganz oben auf meiner Liste. Am 19. Dezember 2019 werde ich die Supporterin von Ilka Bessin (Cindy aus Marzahn) in Dresden sein, darauf freue ich mich schon sehr.
Gibt es noch eine Botschaft, die du unseren LeserInnen mitgeben möchtest?
Wenn du etwas wirklich willst, dann mach es! Scheißegal, was andere dazu sagen. Glaub an dich, zieh es durch, geh deinen Weg. Es ist dein Leben und du hast nur das Eine.