Danke, aber nein danke!
Klar, wir alle lieben ein gutes Schnäppchen und ja, auch ich mache mir etwas aus schönen Dingen – aber nicht um jeden Preis. Ich brauche heute keine 30 Prozent Extra-Sale, um das halbe Inditex-Imperium in meinen Warenkorb zu legen, keinen Nimm-drei-zahl-zwei-Deal, der mein Leben weder schöner, noch günstiger macht – denn wer zur Hölle braucht drei gleiche, günstig gefertigte Shirts derselben Marke? Du bist zum Shopping-Feiertag geworden, an dem man nichts anderes zelebriert als den hemmungslosen Konsum und das vermeintliche Glück, sehr viel für sehr wenig zu bekommen.
Daran ist grundsätzlich nichts auszusetzen, aber was mich daran wirklich stört, ist das „zu viel“ und nicht das „zu wenig“. Wer in den letzten Tagen sein E-Mail-Postfach betrachtet hat, erlebte eine ganz neue Art des FOMO. Studien zufolge arbeiten Menschen während des Black Friday rund 30 Prozent weniger (welch passende Prozentzahl), weil sie rasend vor ihrem Rechner sitzen und Onlineshops durchscrollen aus Angst, ein tolles Angebot zu verpassen.
Und nicht dass es reichen würde, dass sich dieser Wahnsinn auf nur einen einzigen Tag beschränkt, wurde der einst traditionelle, von nordamerikanischen Händlern ins Leben gerufene Black Friday nach Thanksgiving, längst um den Cyber Monday und mittlerweile sogar um die komplette Cyber Week erweitert.
Dabei lohnt es sich, die relevanten Fakten hinter dem Mythos des Riesen-Schnäppchens mal genauer zu betrachten. Nichts gibt es geschenkt! Denn der Preis, den wir uns sparen, wird immer irgendjemand anders bezahlen müssen.
Wer genauer hinsieht, wird bemerken, dass die Vorreiter dieses Trends ausschließlich große Handelsketten sind, deren Margen für Produkte so hoch sind, dass Rabatte längst einkalkuliert sind. Je mehr, desto höher die Verkaufszahlen. Die Einzigen, die daran Schaden nehmen, sind dann noch die Arbeitskräfte am Ende dieser Kette. Die, die unsere Mode produzieren. Die, deren Einkommen ohnehin schon verschwindend gering ist.
Viele Shops, die da mühsam hinterherziehen wollen, tricksen. Und das ist keine Behauptung, denn ich selbst habe vor nicht allzu langer Zeit für einen dieser Online-Warenhäuser gearbeitet und mit eigenen Augen gesehen, wie einzelne Mitarbeiter mit mühevoller Kleinstarbeit jeden einzelnen Preis vor der Cyber Week um 30 Prozent hochdatieren, nur um die Preise dann in der Rabattschlacht wieder künstlich zu senken. Da frage ich mich doch: „Wie dumm sind wir eigentlich, um so einen Trend zu unterstützen?“
Die Einzigen, die dabei den Kürzeren ziehen, sind die ehrlichen Verkäufer im Einzelhandel oder Online – die, die sich nicht zu schade sind, ihr Gesicht zu zeigen. Es oft noch entschuldigend in die Kameras ihrer Instagram-Accounts halten und sich erklären, wieso sie sich einen Black Friday nicht leisten können. Weil sie als unabhängige Marke, Person oder Laden keinen „grundlosen“ Sale für neue Ware leisten können. Weil sie ihre Produkte nicht zu horrenden Margen verkaufen, sondern uns als geschätzte Kunden einen ehrlichen Preis bieten wollen. Doch sie sind es nicht, die sich entschuldigen müssen, weil sie auf Kosten eines einzigen Tages nicht ihr mühsam aufgebautes Business ruinieren wollen. Wer will schon in einer Stadt leben, die nur noch aus Kettenhandel besteht?
Wir sind es, die uns entschuldigen müssen. Weil wir vergessen, was der wahre Wert der Dinge ist. Weil wir auch nachhaltige Mode zur Fast Fashion zwingen. Weil wir uns an niedrige Preislevels gewöhnen. Sind wir mal ehrlich – vom Großteil dessen, was wir im Sale kaufen, haben wir vorher nicht mal gewusst, dass wir es brauchen. Und für ein Kleidungsstück, dass wir uns wirklich wünschen, brauchen wir keinen Black Friday, um es uns leisten zu können. Denn wir arbeiten schließlich auch zu 100 Prozent unseres Gehaltes und nicht in einer Woche im Jahr nur zur Hälfte oder 30 Prozent.
Also lieber Black Friday, wir brauchen dich nicht. Denn du bist für uns eher Last als Entlastung. Und auch wenn es dich weiter geben wird, rufen wir jetzt hiermit zum GREEN FRIDAY auf! Dazu, uns freizumachen von dem Hype des Shoppens unter Zeitdruck, der Alles-sofort-und-immer-noch-mehr-Gesellschaft und zu mehr nachhaltigem Denken, was wir wirklich brauchen.