Die Körper- und Schönheitsideale waren nicht immer mager – ganz im Gegenteil. Der Markt der Curvys etabliert sich peu a peu.
Inmitten von super schlanken Covergirls sticht eine junge Frau im Zeitschriftengeschäft besonders hervor: Halb bekleidet, in einem Bikini in Lila und Gelb räkelt sie sich im Sand, Wellen schlagen gegen ihre Beine. Feuchtes Beachhair weht im Wind, die braunen Rehaugen blicken selbstbewusst und forsch. An sich ein gewöhnliches Bild gängiger Männerzeitschriften. Mit dem Unterschied, dass Ashley Graham keine 90 – 60 – 90 Maße hat und es sich um die amerikanische Sports Illustrated handelt. Ashley Graham ist Plus-Size-Model. Sie ziert als erstes Curvy Model das Cover eines Fitnessmagazins, das mit der Swimsuit Ausgabe 2016 ein klares Statement setzt: Beauty ist gewichtsunabhängig!
Deutschland zieht nach: RTL II rief Anfang letzten Jahres zur großen Körperrevolution auf und sendete erstmals die Show „Curvy Supermodel“. Dafür suchte der Fernsehsender Newcomer-Models ab Kleidergröße 40. „Curvy Supermodels“ ist die erste Castingshow weltweit, die gesunde und vor allem „normale“ Frauen in glamouröser Szene präsentiert. Die Sendung lief erfolgreich, RTL II sucht momentan Kandidatinnen für die zweite Staffel.
Von Marilyn Monroe zu Kate Moss
Die Körper- und Schönheitsideale waren nicht immer mager – ganz im Gegenteil. Dem Schönheitsideal der 50er-Jahre entsprach die einzigartige Marilyn Monroe: kurvig, feminin und selbstbewusst. Frauen mit weiblichen Rundungen, die sich wohl mit ihrem üppigen Busen und Hüfte fühlten, war erstrebenswert. Mit ihrer Kleidergröße 40/42 wurde Marilyn Monroe zum Sexsymbol des Jahrhunderts. Mit dem Erscheinen von Twiggy in den Swinging Sixties krempelte sich das Körperideal einmal radikal um: Große Kulleraugen, Twiggys androgyne, knochige Figur und ihr Bubikopf sind eingängig. Mit dem Aufkommen der Diätpille und Aerobic-Videos wurde der Körper trainiert und geformt. Eine bewusste Lebensweise war das A und O. Elle McPherson alias „The Body“ ist ein Topmodel der 80er-Jahre und gilt als die Vorzeigefrau des Körperkults. Damals litten übrigens mehr als die Hälfte der Playboy-Models an 15 Prozent Untergewicht. Anfang der 90er brachte das schlanke, durchtrainierte Körperideal die Supermodel-Ära von Claudia Schiffer, Naomi Campbell, Linda Evangelista, Cindy Crawford hervor.
Da auf jeden Trend auch eine Gegenbewegung folgt kam durch Calvin Kleins provokante Kampagnen in den 90s der „Heroin Chic“ auf. Die damals 14-jährige Kate Moss verkörperte diese Bewegung mit spitzen Hüftknochen, eckigen Schultern und einer schmalen Taille perfekt. Weltbekannte Modefotografien, unter anderem von Jürgen Teller, zeigen das junge, blasse Mädchen mit Zigarette im Mundwinkel in übergroßen Shirts mit tiefen Augenringen. Ihr Look machte sie zum Topmodel und formte das Schönheitsideal dieser Zeit. In den 00er-Jahren galt eine große, schlanke Frau – mit einer ordentlichen Oberweite – als ideal.
Curvys auf dem Laufsteg
Das Kosmetikunternehmen Dove launchte bereits 2004 die bekannten Kampagnen mit Curvys in Unterwäsche. Mit Bauch, Beine und Po setzte sich die Pflegemarke für normalgewichtige Frauen ein. „Keine Models aber straffe Kurven“ lautete der Claim, mit dem die Dove Haut-Straffende Pflegeserie eingeführt wurde. Die „New York Times“ witterte sogar das „Potential für einen fundamentalen Wandel“ in der Werbung.
Aus einer Nische ist ein Business geworden. Vor allem in Amerika schaffen immer mehr Frauen mit Kurven den Sprung in die erste Liga. So wie Candice Huffine, die als erstes Plus-Size-Model im berühmten Pirelli Kalender 2015 neben Topmodels wie Adriana Lima und Gigi Hadid von Steven Meisel abgelichtet wurde. Ashley Graham ist das erfolgreichste Plus-Size-Model der Welt. Sie lief auf der New York Fashion Week unter anderem für Michael Kors, posierte neben Topmodel-Kolleginnen auf dem Cover der US-VOGUE und entwarf eine Bademoden-Kollektion für „Swimsuits for all“. Generell brach die diesjährige New York Fashion Week einen Rekord. 27 Übergrößen-Models liefen auf der Fashion Weeks mit. Candice Huffine wurde beispielsweise für Prabal Gurung engagiert – sie trug ein Shirt mit der Aufschrift „Our Minds. Our Bodies. Our Power.“
Das weltweit erste Supermodel mit Übergröße
Die Kategorie „Plus Size“ führte erstmals die international etablierte Agentur Ford Models 1998 ein. Das weltweit erste Supermodel mit Übergröße: Emme, die vor allem unter ihrem Vornamen bekannt ist. In den späten 90er- und Anfang der 00er-Jahre bekam Emme einen niedrigen Lohn von 150 Dollar pro Tag, während ihre dünnen Modelkolleginnen bis zu einem sechsfachen für dieselbe Arbeit verdienten. So wurde Emme zu Beginn ihrer Karriere nur als „Beiwerk“ in Oversize-Pullovern im Hintergrund fotografiert. Sexy trotz Übergröße? Die offensichtliche Antwort der Produzenten war ernüchternd.
Nachdem Emmes makelloser Teint, ihre voluminöse, blonde Mähne und ihr selbstbewusstes Körpergefühl immer mehr Beachtung von Fotografen fanden, rückten weitere junge Frauen ins Visier von Agenturen, Redakteuren und Designern. Karl Lagerfeld entdeckte die feurige Crystal Renn und engagierte sie bei der Chanel Resort Show 2010 in Saint-Tropez als Runwaymodel.
„Du bist wunderschön“
Der Markt der Curvys etabliert sich peu a peu. Die vergangene New York Fashion Week war ein großer Schritt in die richtige Richtung. Das niederländische Curvy Model Danielle van Grondelle sagte einmal in einem Interview: „Sei eine gesunde Version von dir. Wenn das kurvig ist, dann ist das wunderschön. Und wenn das schlank ist, ist das genauso schön.“