Arte zeigt eine Doku über die Vulva.
Während das Wort Penis bereits seit langem Einzug in unseren Wortschatz gefunden hat, wir über ihn scherzen und Formen oft als phallisch bezeichnen, wird das weibliche Genital in unserer Sprache noch vernachlässigt. Nur voller Scham bekommen wir das Wort Vulva oder Vagina über die Lippen. Männer sind stolz auf ihren Penis, Frauen jedoch wird, wenn es um ihr eigenes Geschlecht oder die eigene Sexualität geht, Scham beigebracht. Die Doku „Viva la Vulva“ handelt von der Bedeutung des weiblichen Geschlechts in unserer Gesellschaft im Laufe der Geschichte.
La Chatte, Lustgrotte, Cunt, Kleschn, Fotze, Con… in vielen Sprachen ist das weibliche Genital eins der schlimmsten Schimpfwörter, das es gibt. Das sagt viel über unsere Gesellschaft und die Rolle der Frau darin aus. Nicht nur das weibliche Geschlecht, sondern das weibliche Genital wird deutlich abgewertet, teilweise sogar regelrecht verteufelt. Die Vulva ist etwas, das in unserer Kultur nicht wirklich repräsentiert wird. Überall sieht man an Wänden, auf Schulhöfen und an alten Gebäuden Schmierereien in Form von Penissen. Doch wo bleibt die Vulva? Naja, um eine Vulva zu zeichnen, müsste man erst einmal wissen, wie das geht, wie sie überhaupt aussieht…
Die Vulva ist so hässlich, dass sogar der Teufel sich vor ihr erschrickt.
In vielen Teilen der Welt werden Mädchen immer noch beschnitten. Dabei werden Teile der Klitoris und der Schamlippen entfernt. Oft wird alles weggeschnitten, zugenäht und nur noch ein kleines Loch für das Menstruationsblut gelassen – und das ohne Anästhesie. Die Gründe hierfür variieren: Einige sind der Meinung, die Klitoris sei verantwortlich für die sexuelle Lust und müsse deswegen entfernt werden, andere denken die weiblichen Geschlechtsteile seien unrein.
In der westlichen Welt hingegen lassen sich Frauen freiwillig ihre inneren Schamlippen entfernen, denn wenn sie zu groß sind, gelten sie als unschön. Dies verdeutlicht, was für ein immenser Druck auf uns Frauen lastet, immer perfekt und schön auszusehen. Sogar unser weibliches Geschlecht unterliegt Normen und Zwängen. Doch was ist überhaupt normal? Gibt es ein Richtig und ein Falsch, wenn es um die Form, Farbe und Größe unserer Vulva geht? Immer vergleichen wir uns mit anderen Frauen und finden Fehler an uns selbst. Das Problem, wenn es um das weibliche Geschlecht geht? Es gibt wenig Vergleichsmöglichkeiten. Wann sieht man schon mal das Genital einer anderen Frau? Bisher meistens nur in Pornos. Und genau da liegt der Ursprung des Problems. Denn Frauen in Pornos haben oft selbst eine operierte, sogenannte Brötchen-Vulva, bei der man nur die äußeren Schamlippen sieht.
Bei dem Dokumentarfilm Embrace war eine persönliche Lieblingsszene die, in der man dutzende weiblicher Genitalien in Überlebensgröße auf der Leinwand sah. Da gab es eine Art „Aha“-Moment, denn zum ersten Mal sah man so vielfältige Vulven. Kleine, große, dunkle, helle…dabei kam ein Gedanke: Ich bin ganz normal!
Ein weiteres Problem der Pornoindustrie liegt darin, dass die Frau im Porno alles mitmacht, ihr scheinbar alles gefällt, sie alles gut findet – ganz egal wie eklig, aggressiv oder erniedrigend es ist. Einerseits erweckt es eventuell unrealistische Erwartungen in Männern, andererseits übt auch das einen großen Druck auf Frauen aus. Einen Druck freizügig, neugierig und experimentierfreudig zu sein. Doch was wollen wir überhaupt selbst?
Sexualität ist eines der natürlichsten Dinge auf der Welt. Jedoch gibt es eine tiefsitzende Angst vor der weiblichen Lust. Denn Lust heißt Autonomie und somit Macht. Früher sollte die Frau passiv sein, am besten asexuell, bis auf den Moment, in dem ihr Ehemann Sex wollte. Eine Frau war entweder nymphoman oder frigide – und das zählt auch heute noch. Ist die Frau sexuell zu aktiv, wird sie zur Schlampe. Zeigt sie nicht genug Interesse an Sex ist sie aber prüde oder verklemmt. Egal wie man es macht, man macht es falsch.
Doch nicht nur unsere Gesellschaft hegt eine Angst vor dem weiblichen Geschlecht. Oft haben wir sogar selbst Angst vor unserem eigenen Genital. Angst, dass wir komisch riechen, schmecken oder aussehen könnten. Deswegen wollen viele Frauen keinen Oralsex, sind aber beim Mann durchaus bereit dazu.
Frauen werden oft nicht nach ihren Leistungen, sondern nach ihrem Aussehen beurteilt. Wir haben zwar so viele Rechte, wie noch nie – die Gesellschaft ist aber nur scheinbar sexuell befreit. Noch immer gibt es einen großen Druck bestimmten Normen zu entsprechen – dazu gehört beispielsweise auch die Haarentfernung. Einen Frauenkörper zu haben, bringt aber nicht nur viele Zwänge und Normen mit sich, sondern auch eine Gefahr. Nachts können wir nicht alleine nach Hause laufen oder U-Bahn fahren. Grenzüberschreitungen finden tagtäglich statt. Das wissen wir spätestens seit der #metoo Bewegung. Und die Schuld dafür wird häufig der Frau selbst zugeschoben – sie war zu freizügig gekleidet oder hat Alkohol getrunken. „Asking for it“, sagt man im Englischen – man hat es selbst provoziert. Dabei ist es doch eine ganz einfache Frage: Bist du einverstanden oder nicht?
Gemeinsam sollten wir daran arbeiten, dass der weibliche Körper und das weibliche Geschlechtsteil wieder positiv besetzt wird. Wir sollten Freude und Lust daran empfinden anstatt Scham.
Die Doku „Viva la Vulva“ ist wirklich interessant, lehrreich und sehenswert. Anschauen könnt ihr sie hier auf Arte oder auf Youtube.