„Weibliche Sexualität ist etwas, worüber im Laufe der Jahrtausende verdammt viel Bullshit verbreitet wurde“
Katja Lewina
Lust ohne Liebe, das funktioniert bei Frauen angeblich nicht. Ein Klischee, das sich hartnäckig hält, obwohl es erwiesenermaßen Blödsinn ist. Frauen können sehr wohl Spaß an Sex haben auch ohne den ganzen romantischen Kram drumherum. Es hat nur lange gedauert, bis sie sich getraut haben, das auch zuzugeben. Denn in der Gesellschaft kam das lange nicht all zu gut an. Zum Glück gibt es immer mehr Autorinnen, die uns Schützenhilfe leisten, indem sie offen und frei über ihre Sexualität, über bisher geheimsten erotischen Fantasien schreiben. Sie geben uns Mut und machen Lust auf mehr Lust.
Lustprinzip

Sie hat Bock. Bock auf Sex. Und das ziemlich oft und mit ziemlich vielen Männern (oder auch Frauen). Wäre sie ein Mann, wäre der ein toller Hecht. Als Frau aber ist sie wahlweise eine Schlampe, ein notgeiles Stück, jedenfalls keine mit allerbestem Ruf. Seit Jahren schreibt die Autorin Katja Lewina entlang ihrer eigenen Biografie über verschiedene Sexthemen und hinterfragt, warum die Gesellschaft männliches Begehren noch immer ganz anders beurteilt als weibliche Lust. In “Sie hat Bock” (Dumont, 20 Euro) kommt alles zur Sprache: Kindliche Masturbation, Porno-Vorlieben, Fake-Orgasmen. Die Feministin aus Berlin entlarvt Mythen und Rollenklischees über weibliche Sexualität und zeigt auf, wie sehr wir selber noch in unserer eigenen Sexismusfalle stecken. Denn wie kann es sein, dass sich viele Frauen oft für alles schämen, was mit ihrem Unterleib zusammenhängt? Darum sind Autorinnen wie Katja Lewina wichtig: Sie regt zum Nachdenken an und macht Vorschläge, wie es anders geht.
Loveletters

Morgane Ortin ist eine der bekanntesten Instagramerinnen in Frankreich – und sie sammelt Liebesnachrichten. Keine Liebesbriefe wie früher auf Papier, sondern Screenshots von romantischen Chatverläufen in den sozialen Netzwerken. Die postet sie dann auf ihrem Account @amours_solitaire, der mittlerweile über 800.000 Follower hat. Bis zu 900 dieser Chat-Schnipsel bekommt die 29-Jährige pro Tag zugeschickt, alles Momentaufnahmen von Beziehungen. Für ihr Romandebüt “Du wirst mein Herz verwüsten” (Blumenbar, 20 Euro) hat sie nun aus 278 Kurznachrichten eine Liebesgeschichte konstruiert, die sich nur über den Textchat zweier Menschen erzählt: wie sie sich begegnen, sich verlieben, wie sie sich streiten und Angst haben, einander zu verlieren. Die Nachrichten sind mal witzig, mal traurig, mal leidenschaftlich, mal außerordentlich klug. Vor allem aber stellt man fest, dass Romantik und Poesie auch auf WhatsApp möglich ist.
Beziehungsweise

Einmal in der Woche treffen sich Moderatorin und Bestsellerautorin Charlotte Roche („Feuchtgebiete“) und ihr Mann Martin Keß-Roche in einem kleinen Kabuff in ihrer Wohnung, sie schalten ein Mikro ein und unterhalten sich eine Stunde lang. Worüber? Darüber, wie man es schafft, eine glückliche Beziehung zu führen. Die Gespräche nehmen sie für ihren Podcast „Paardiologie“ auf, und weil der so ein großer Erfolg ist, wurde nun auch ein Buch daraus. In “Paardiologie – Das Beziehungsbuch” (Piper, 18 Euro) geht es um die zentralen Themen: Wie viel Liebe bleibt nach der Verliebtheit, Sex, Eifersucht, Fremdgehen, Erziehung, Rollenbilder. Gnadenlos ehrlich kommt bei den beiden alles auf den Tisch, von der Kleinigkeit, dass es den einen nervt, wie der andere Kartoffeln schält bis hin zu der großen Frage, ob eine offene Beziehung möglich wäre. Die sehr beruhigende Erkenntnis: Dass offenbar (fast) alle Paare die gleichen Probleme haben.
Netz-Attacken

Geistreich, witzig, feministisch und von höchster Relevanz: In ihrem Debütroman “SPEAK UP” (Droemer, 20 Euro) trifft Laura Steven nicht nur den Ton der Zeit, sie greift auch das Thema Slut-Shaming auf. Wörtlich übersetzt mit „Schlampen beschämen“, diskriminiert dieser Begriff Frauen, die sich angeblich zu freizügig verhalten oder Sex mit zu vielen Männern haben. So einen viralen Shit-Storm bekommt auch Protagonistin Izzy O’Neill zu spüren, als intime Fotos im Internet auftauchen, die sie nachts auf einer Parkbank mit dem Sohn eines bekannten Politikers zeigen. Die schlagfertige Nachwuchskomödiantin wehrt sich dagegen, dass andere darüber entscheiden wollen, wer oder was man ist oder zu sein hat. Damit entfacht der Roman auf humorvolle Weise die notwendige Debatte über das Selbstbestimmungsrecht der Frauen. Für Fans von Filmen wie „Booksmart“ (2019), „The Hate U Give“ (2019) oder der Netflix-Erfolgsserie „Sex Education“.
Vorbildlich

Sie ist ein literarisches Rolemodel: Mit ihren Romanen und Kurzgeschichten hat die Amerikanerin Mary Gaitskill ganze Generationen von jungen Autorinnen beeinflusst, für die New York Times ist die Amerikanerin, Jahrgang 1954, sogar eine der eloquentesten Schriftstellerinnen der Gegenwart. Gleich ihr erstes Buch “Bad Behavior“, erschienen 1988, sorgte für eine Sensation: Ihre scharfsinnigen Beschreibungen über die dunkelsten erotischen Wünsche ihrer Figuren schlug in der Literaturszene ein wie ein Komet. Das Kultbuch gibt es jetzt auf deutsch in einer Neuauflage: “Bad Behavior. Schlechter Umgang” (Blumenbar, 20 Euro) versammelt neun Short Stories über Menschen, die ihre innere Leere mit sexueller Promiskuität zu überdecken versuchen, über Frauen, die sich schlagen und erniedrigen lassen, über Männer, die Prostituierten verfallen. Mary Gaitskill war ihrer Zeit weit voraus, weil sie Frauen schon vor über 30 Jahren das zugestand, was sonst gemeinhin nur Männern vorbehalten war.
Keine verbotene Liebe

Was macht Corona mit der Liebe? Oder anders gefragt: Was macht man mit seiner Lust in Zeiten von Social Distancing? Die Antwort der New Yorker Gesundheitsbehörde war da ziemlich eindeutig. Sie forderte die Bürgerinnen und Bürger Stadt, die niemals schläft, zur Selbstliebe auf. Denn Masturbation ist nicht nur viel besser als kein Sex, regelmäßige Orgasmen stärken auch das Immunsystem. Vom Spaßfaktor mal ganz abgesehen. Was sonst noch mit dem Sexleben passiert, wenn man als Single nicht unter Leute darf oder wochenlang mit dem Partner auf engstem Raum verbringt, damit hat sich auch die Deutschlands erfolgreichste Sex-Autorin Sophie Andresky (Bestseller Vögelfrei) in ihrem Ratgeber “ENJOY YORSELF. Sex unter Quarantäne” (Heyne Hardcore, E-Book, 0,99 Euro) beschäftigt. Skype-Sex, Dirty Talk und Sextoys sollen dafür sorgen, dass auch unter erschwerten Bedingungen die Erotik nicht auf der Strecke bleibt.