Mode in einer Zeit, in der die Emanzipation der Frau im Hintergrund stand.
In unserem letzten Artikel drehte sich alles um Suffragetten, den ersten Weltkrieg und schließlich die 1920er Jahre. Eine Zeit, in der man das Leben feierte, in der die Jugend ihre Limits auf die Probe stellte und in der Frauen immer mehr Freiheiten gewannen.
1930er
Doch nach der Ära von Überfluss und Befreiung folgte 1929 die Weltwirtschaftskrise. Und da Gleichberechtigung während der Großen Depression kein zentrales Thema war, waren Frauen bis zur Zweiten Welle des Feminismus in den 60er Jahren relativ unpolitisch. Wegen der Wirtschaftskrise gab es weniger Arbeit und grundsätzlich wurden Männer für existierende Stellen bevorzugt. Dies bedeutete für Frauen eine Wendung – sie hatten Schwierigkeiten einen Job zu finden, konnten kein eigenes Geld verdienen und verloren dadurch an Freiheit. Lediglich in Bereichen wie der Telefonindustrie expandierten Jobmöglichkeiten für Frauen, denn einer Frau musste man nur einen Bruchteil des Gehalts zahlen. Die Begründung: ein Mann musste eine Familie versorgen (und das ganz egal, ob er verheiratet war und Kinder hatte oder nicht), eine Frau hatte angeblich nur für sich selbst zu sorgen und brauchte deshalb auch weniger Geld.
Auch die Mode wandelte sich in den 30ern stark. Die Taille rutschte wieder nach oben, zurück zu ihrer natürlichen Position, Kleider wurden schmaler und betonten die weibliche Figur. Der Stil der Dekade war viel erwachsener, viel eleganter als noch einige Jahre zuvor. Neue Erfindungen, wie der Reißverschluss oder synthetische Stoffe wie Rayon machten Mode günstiger und dadurch auch für eine breitere Masse zugänglich. Die Schnitte der 30er Jahre waren fließend und folgten der natürlichen Silhouette der Frau, die Mode war glamourös und sinnlich. Rocksäume wurden wieder länger – wo sie in den 20ern noch kurz unterm Knie endeten, waren Kleider nun wieder mindestens wadenlang. Stattdessen zeigte man an anderen Stellen mehr Haut. Ein neuer Trend: rückenfreie Kleider.
In den Goldenen Zwanzigern sollte Mode noch möglichst viel Bewegungsfreiraum lassen. In den gerade geschnittenen Flapper-Kleidern konnte man ausgelassen tanzen, ohne sich eingeengt zu fühlen. Ein Jahrzehnt später spielte die Praktikabilität keine zentrale Rolle mehr, Mode hatte wie schon in vielen Dekaden zuvor einen rein optischen Zweck zu erfüllen.
Zumindest bis der Zweite Weltkrieg alle bekannten Strukturen aufrüttelte und nach neuen Ordnungen verlangte.
Zweiter Weltkrieg
Wie schon im Ersten Weltkrieg nahmen auch im Zweiten Weltkrieg viele Frauen die Arbeitsplätze der Männer ein, während diese an die Front mussten. Frauen arbeiteten in Fabriken, produzierten Waffen und Munition, sie fuhren LKWs, flogen Militärflugzeuge oder hatten Bürojobs. Frauen in den USA wurden sogar durch Propagandamaßnahmen der Regierung dazu aufgefordert, den Herd zu verlassen und Arbeit in Fabriken anzunehmen. Mittlerweile ist die auf einem Poster abgebildete “Rosie the Riveter”, zu einem bekannten Symbol in der Bewegung um Gleichberechtigung geworden.
In Deutschland blieb die Frau übrigens auch während des Kriegs zuhause in der Familie – Hitlers ideale Frau war lediglich zum gebären da!

Eine der berühmtesten Frauen, die sich während des Zweiten Weltkriegs für ihr Land engagierte ist wohl Marlene Dietrich. Und mit “ihr Land” meinen wir nicht etwa Deutschland, ihr Herkunftsland, sondern ihre Wahlheimat, die USA. Denn die Schauspielerin distanzierte sich während des Kriegs ganz deutlich von Deutschland, gab sogar ihre Staatsbürgerschaft auf und sprach sich laut gegen Hitler und seine Politik aus. Marlene Dietrich war daran beteiligt Millionen von Dollar in Form von Spenden zu sammeln, sie half in Kantinen für Soldaten aus, tourte um die Welt und sang auf zahlreichen Bühnen, um die Moral der Truppen zu heben. Für ihren Einsatz bekam sie sogar einige Auszeichnungen: unter anderem die Medal of Freedom und die Legion d’Honneur, die beiden höchsten bürgerlichen Auszeichnungen, die es in den USA und in Frankreich gibt. Sie hat viel mehr geleistet, als nur das Tragen von Hosen unter Frauen populär zu machen – auch wenn das heutzutage das erste ist, woran viele denken, wenn sie ihren Namen hören.
Im Hinblick auf die Beteiligung der Frauen am Krieg, musste Mode also nicht nur schön aussehen, sondern vor allem praktisch sein. Ausgehend von den Rationierungen während des Kriegs, gar keine leichte Aufgabe. Rationierungen sollten dafür sorgen, dass Güter gleichmäßig unter der Bevölkerung aufgeteilt wurden und zwar ganz unabhängig davon, wie viel Geld man hatte. Anstatt mit Geld, zahlte man seit 1941 nämlich mit Coupons. Für 14 Coupons bekam man beispielsweise einen Wintermantel, für 7 ein neues Kleid. Insgesamt erhielt man pro Jahr 66 Kleidungscoupons, was reichte, um sich ein komplettes Outfit zuzulegen. Das bedeutete, dass die neue Kleidung möglichst in allen vier Jahreszeiten tragbar sein musste. Wenn man sich nur ein neues Kleid im Jahr kaufen kann, nützt es nichts, wenn man es nur im Sommer tragen kann.
Doch Frauen wurden innovativ. Da Materialien knapp waren, nutzten sie alles mögliche, um neue Outfits zu zaubern. Heute würde man es Upcycling nennen, wenn beispielsweise aus einer alten Landkarte, die damals auf Seide gedruckt wurde, ein schickes Wäscheset entstand. Oder aus einem alten Herrenanzug ein neues zweiteiliges Damenkostüm. “Make Do and Mend” wurde der neue Leitspruch – neues selbst nähen und altes flicken, anstatt es wegzuwerfen. Ein Gedanke, den wir uns heutzutage als Vorbild nehmen sollten.
Auch die Erfindung des Bikinis ist der Stoffknappheit während der Rationierung zuzuschreiben. Der Designer Louis Réard kreierte den ersten Zweiteiler, bei dem der Bauchnabel der Trägerin zu sehen war und benannte ihn nach Bikini-Atoll, dem Gebiet im Pazifischen Ozean auf dem erste Kernwaffentests durchgeführt wurden. 1947 löste der Bikini noch einen Skandal aus, kein Model wollte ihn tragen, sodass ein Showgirl engagiert werden musste, um das knappe Teil vorzuführen.
Der Krieg brachte die Frau also wieder ein kleines Stückchen näher an die Gleichberechtigung. Sie hatte die Chance, sich in ihrer Arbeit selbst zu verwirklichen und sich durch mehr als nur das Ehefrau- und Muttersein auszuzeichnen, außerdem war sie durch die Mode nicht mehr so eingeschränkt. Die Mode und auch die Frau hatten plötzlich wieder mehr zu tun, als nur schön auszusehen.
Die Nachkriegszeit und Diors New Look
1947 war nicht nur Jahr des Bikinis, sondern auch einer weiteren Wende in der Mode: Christian Dior lancierte seine neue Kollektion, die bald als New Look bekannt wurde. So schön Diors Mode auch anzusehen sein mag, bedeutete sie doch einen Rückschritt für die Frauenbewegung. Denn der Stil war wieder extrem feminin, gezeichnet durch eine schmale Taille und weite Röcke. Um diese Sanduhrsilhouette zu erzielen, griff man wieder zurück auf Korsetts, Reifröcke und zahlreiche Petticoats – obwohl sie eigentlich doch endlich vollständig aus der Mode verschwunden waren. Diors New Look war Ausdruck der Nachkriegszeit: Nach den ganzen Einschränkungen und Rationierungen sehnte man sich nach den “Guten alten Zeiten”, in denen es von allem noch genug gab. Dior bediente diese Nostalgie, denn seine Mode strotze nur so von Überfluss und Glamour. Doch viele kritisierten ihn dafür, dass er Frauen die gerade erreichte Unabhängigkeit nahm. Auch Coco Chanel sagte nur spöttisch, dass Dior keine Frauen kleide, sondern sie “auspolstere”.
1950er
Die 1950er Jahre waren ein Zeitalter der Konformität mit traditionellen Geschlechterrollen. Wer die Serie Mad Men gesehen hat, kann es sich bildlich vorstellen. Nachdem die Männer Mitte der 40er aus dem Krieg zurückkehrten, lief es in etwa so ab, wie nach dem Ersten Weltkrieg: Männer nahmen wieder ihre alten Arbeitsplätze ein und Frauen mussten zurück zu ihrem häuslichen Leben. Sie identifizierten sich wieder als Hausfrauen, Mütter und Ehefrauen, obwohl viele ihre Jobs gern behalten hätten. Doch die Gesellschaft übte einen immensen Druck auf sie aus, zu heiraten und Kinder zu bekommen. Sogar die Regierung startete Propaganda-Maßnahmen, denn die beste Waffe gegen den kalten Krieg war angeblich ein starker Zusammenhalt in der Familie. Und ein starker Zusammenhalt innerhalb der Familie war durch die Frau zu erreichen, die die Familie intakt hielt. Single zu sein war verpönt und junge Frauen heirateten oft direkt nach dem Abschluss der Highschool. So wurde die Generation von den 40ern bis 60ern als Baby Boomer bekannt, denn noch nie waren die Geburtenraten so hoch.
Mode kann also beides: Die Frauenbewegung vorantreiben, indem sie Bewegungsfreiheit erteilt, indem der Nutzen und nicht die Optik im Vordergrund steht – sie kann aber auch genau das Gegenteil bewirken, sie kann ein Käfig sein, die Frau in ihrer Bewegung hindern und sie an den Herd und das Haus fesseln. Und so ist Mode ein Ausdrucksmittel der Frauenbewegung. Man sagt “Kleider machen Leute” und so kommuniziert die Mode nach außen, wer wir sind und wie frei wir sind.