Wie die “fear of missing out” zu “joy of missing out” wird.
Diese Serie handelt von einem eigentlich eher unsozialen Phänomen und bestätigt was der JOMO (Joy of missing out) Trend uns längst bestätigt – nicht immer überall dabei zu sein und stattdessen Zeit für sich, nur mit einem selbst zu genießen, macht glücklich!
Fängt man aber erst mal damit an, ist das Allein Sein zu Beginn eine ganz schöne Überwindung. Keine Überraschung, denn unsere Generation ist es gewöhnt, ständig unterwegs zu sein, oder zumindest immer in Begleitung eines Unterhaltungsmediums. Podcasts in der Bahn, Netflix im Flugzeug, Musik auf dem Weg zur Arbeit, Radio im Auto. Und selbst wenn wir das Privileg genießen in den eigenen vier Wänden zu wohnen, sind wir nicht mal dort wirklich alleine. Stehen wir morgens auf, laufen erstmal Instagram-Stories, die für Unterhaltung während unseres Morgen-Kaffees sorgen. Kommen wir nachhause, machen wir den Fernseher an. Denken wir in Ruhe mal darüber nach – wann waren wir denn das letzte Mal wirklich alleine mit unseren Gedanken? Wann war es das letzte Mal ruhig, um uns herum? (Schlafen zählt nicht)
„Früher brachte der Lärm Menschen aus der Ruhe. Heute ist es die Stille.“ Ernst Ferstl
Ja, Stille muss man aushalten lernen, denn wir empfinden sie in der Regel erst mal als unangenehm. Jeder Ratgeber für Smalltalk empfiehlt, die „peinliche Stille“ während eines Gesprächs zu vermeiden. Wir sind heute also gezwungen, ständig zu reden und ständig verfügbar zu sein, für ein Gespräch. Man lässt heute die Bürotür offen, ist telefonisch permanent erreichbar – wer Ruhe will, muss sich rechtfertigen. Und das, obwohl all das unablässige Geschwafel im kompletten Gegensatz zu sämtlichen Weltreligionen steht. Gebete werden durch den Geist übertragen. Meditation lebt von Stille. Und selbst eine alte Weisheit besagt: „Aus der Stille kommt alles Wesentliche zu dir“. Sie ist der Ursprung kreativen Denkens. Erst wer Stille erträgt, kann sein Ohr nach innen richten. Wer dann all die unangenehmen Gefühle der Entzugserscheinung von Geräuschen wie Einsamkeit oder Langeweile überwunden hat, fängt an voraus – statt nur nachzudenken. Sie lässt uns Gedanken und Gefühle bewusster wahrnehmen, reflektieren und erdet uns gleichzeitig im Hier und Jetzt.
Heißt: Wir halten inne. Studien zufolge wirkt sich das nicht nur positiv auf unsere Stressbewältigung aus, sondern kann sogar unseren Blutdruck wieder ins Gleichgewicht bringen. Bereits zwei Minuten komplette Stille sind dabei wirksamer als eine halbe Stunde Entspannungsmusik.
Noch ein ziemlich interessantes Untersuchungsergebnis: In Momenten vollkommener Stille werden verstärkt neue Gehirnzellen gebildet. Konkret geht es dabei um den Bereich im Hippocampus – der für unsere emotionale Intelligenz und Erinnerungsvermögen zuständig ist. Bedeutet – wer ruhiger lebt, ist empathischer und oft ausgeglichener. Und das, obwohl wir in dem Glauben erzogen werden, dass besonders extrovertierte Menschen leichter Freunde finden oder ihr Umfeld für sich gewinnen können. Ein Grund wieso wir uns oft Freitag abends überwinden, laut zu sein – zu tanzen, singen, lachen, trinken. Auch wenn wir vielleicht lieber zuhause geblieben wären. „Wer zuhause sitzt, lernt niemanden kennen“ – hören wir dann regelmäßig. Doch zuhause zu bleiben bedeutet nicht immer, es sich in seiner Komfortzone gemütlich zu machen. Ganz im Gegenteil – die letzten Jahre prägten unsere Gesellschaft mit der „Fear of missing out“ (kurz FOMO) – ein Trend, der uns zwingt, immer und überall dabei zu sein, um nichts zu verpassen. Geprägt durch Social Media, bestätigt von Freunden – wer cool sein will, muss präsent sein.
Sich jetzt also bewusst zu entscheiden, zuhause zu bleiben, ist ganz und gar nicht komfortabel – es ist eher eine Überwindung und ein Schritt weiter zu sich selbst.
Dabei geht es aber gar nicht darum, wie ein Einsiedler zu leben, sondern eine gesunde Balance wieder herzustellen und ab und zu aus dem Hätte-Würde-Sollte-Karussell der Kommunikation auszusteigen.
Viel Spaß beim Ausprobieren 🙂
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