Von wegen besinnliche Zeit! Eine Kolumne unserer Autorin Lilian über die Weihnachtszeit.
Was mach ich eigentlich hier? Schon zum dritten Mal laufe ich am Aufzug vorbei, um die dämliche Rolltreppe zu finden. Drei Tage vor Weihnachten ausgerechnet in einem maximal überfüllten Einkaufszentrum nach Geschenken zu suchen, war wohl doch nicht so ‘ne tolle Idee. Ich beschließe, dass ich keine Lust mehr habe weiterzusuchen, und stelle mich hinter den 17 anderen Personen an, die exakt so aussehen wie ich mich gerade fühle. Ausgelaugt, mit den Nerven am Ende und blass um die Nase. Ungefähr acht Minuten später fahre ich mit dem überfüllten Fahrstuhl in den dritten Stock und beobachte erst einmal einige Minuten den erbitterten Kampf, der sich vor den Fahrstuhltüren abspielt. Die einen stürmen hinein, die anderen hinaus und irgendwo dazwischen stehe ich – und gebe auf.
Ich fahre – ohne den Fahrstuhl verlassen zu haben – wieder hinunter, und liefere auf dem Weg zum Ausgang einen Slalom durch die einkaufswütigen Menschen ab, dass Felix Neureuther vor Neid erblassen würde. Draußen angekommen nehme ich mir einen Moment der Ruhe und blicke in den dunklen, verschneiten Himmel.
Hat Weihnachten eigentlich noch mit dem Ursprung zu tun?
Wenn ich Jesus wäre, wäre ich verdammt beleidigt, schießt es mir durch den Kopf. Ich habe doch nicht mein Leben für die Menschheit gelassen, damit sie jedes Jahr zu meiner Geburt so ein Heckmeck veranstaltet. Ich bin nicht sonderlich religiös, doch dass die festlichen Traditionen um Heiligabend ihren Ursprung im christlichen Glauben haben, kann man ja nicht einfach ignorieren. So richtig viel ist von einer besinnlichen Weihnachtszeit allerdings nicht übrig geblieben, finde ich.
Auf meinem Heimweg beschließe ich (mal wieder), dass die Weihnachtszeit in diesem Jahr für mich aus Kontrastprogramm besteht. Zu Hause angekommen schicke ich eine Rundmail an meine Freunde und Familie. Der Betreff lautet: Keine Geschenke dieses Jahr – #sorrynotsorry. Stattdessen lade ich zu einem nach-weihnachtlichen Get Together – mit viel Wein. Ich nenne es “Jesus’ Geburtstagsparty”. Ich fühle mich schon beinahe befreit. Im nächsten Schritt verbanne ich Lebkuchen, Spekulatius und Co. aus meiner Wohnung und recherchiere im Internet die exotischsten Plätzchen-Rezepte. Und anstelle der traditionellen Weihnachtstanne werde ich in diesem Jahr vor einem intellektuell wirkenden Bücher-Baum feiern.
Rückbesinnung auf das Wesentliche!
Tiefenentspannt und ziemlich besinnlich gestimmt, gehe ich in die Küche und suche die Plätzchen-Zutaten zusammen. Während ich Milch, Mehl und Butter auf meiner Küchentheke staple, denke ich über den Sinn des Weihnachtsfestes nach und freue mich über meinen vorweihnachtlichen Sinneswandel. Rückbesinnung auf das Wesentliche – check! Ich öffne den Kühlschrank und – Mist, ich habe keine Eier mehr.
Während ich ziemlich beleidigt und mit gesenktem Kopf zurück ins Einkaufszentrum stapfe, um neue Eier zu besorgen, schreibe ich im Kopf eine Einkaufsliste für die Weihnachtsgeschenke, die ich sowieso wieder mitnehmen werde.