Yvonne steht auf Frauen, Nicole auf Männer. Beide lieben Sex. Und sie führen in ihrem Podcast “Ladylike” intime und zugleich niveauvolle Gespräche zu allen Facetten ihres Lieblingsthemas. Wir haben den beiden (teils sehr intime) Fragen gestellt. Lies hier das Interview!
Weibliche Lust spielt im öffentlichen Diskurs nach wie vor eine untergeordnete Rolle. Yvonne Fricke und Nicole von Wagner leisten mit ihrem Sachbuch “Da kann ja jede kommen!” einen wichtigen Beitrag dazu, dies zu ändern. Offen und ohne Scham sprechen sie über weibliche Libido und beantworten Fragen von Männern und Frauen zu allen Themen rund um die schönste Nebensache der Welt. Das ist nicht nur empowernd für alle Ladys, sondern auch augenöffnend für Gentlemen jeden Alters.
the Curvy Magazine: In eurem Podcast „Ladylike“ beantwortet ihr Fragen von Frauen sowie von Männern rund um das Thema Sex. Darin finden auch bisher stark tabuisierte Fragen Platz. Wir möchten natürlich wissen: Welche Fragen stellen Männer, was das Thema Sex angeht, am häufigsten?
Nicole von Wagner & Yvonne Fricke: Männer fragen sehr oft nach Sexstellungen, die Frauen befriedigen und sie fragen oft danach, wie Frauen Männer rein äußerlich bewerten. Dazu gibt es etliche Nachfragen aus der männlichen Ladylike-Community. Und das ist interessant, denn nach unserer Erfahrung sind vor allem Männer schnell dabei über Äußerlichkeiten zu urteilen, haben aber gleichzeitig Sorge, dass sie ebenfalls so beurteilt werden könnten. Das zeugt ja schon von einer größeren Unsicherheit. Da gibt’s immer wieder die Frage danach, wie Frauen bei Männern starke Körperbehaarung finden. Ob es ok ist, nicht mehrmals hintereinander zu können, wie der perfekte Penis aussehen sollte usw. Darauf gibt es natürlich keine pauschalen Antworten. Zum Glück sind wir Frauen sehr divers, was die Vorstellung von unseren Traummännern- und frauen angeht.
Egal ob von einer Frau oder von einem Mann: Was war die lustigste Frage, die ihr je gestellt bekommen habt und was war eure Antwort darauf?
Eine Mail, die es auch ins Buch geschafft hat, kam von einem Mann, der nach eigener Aussage extrem behaart war, aber dennoch keine Scheu hatte uns zu fragen, wie er seiner Partnerin erklären soll, dass er darauf steht, wenn sie sich rasiert. Da ist uns schon die Kinnlade heruntergefallen, wenn jemand selber aussieht wie ein Bär, aber bei seiner Liebsten kein Haar am Körper akzeptiert. Ihm haben wir geschrieben, dass wir ihm da leider auch nicht helfen können und irgendwie auch nicht wollen. Leben und leben lassen. Wer sich Akzeptanz für sich und seinen Körper wünscht, der sollte auch großzügig mit anderen sein. Körperhaare bei Frauen sind normal und jede sollte selbst entscheiden, was sie damit anstellt und wie sie sich wohl fühlt.
Gab es Fragen, die euch Sorgen bereitet oder im Nachhinein gedanklich nicht losgelassen haben?
Es gab mal einen älteren Herrn, der seit Jahrzehnten verheiratet war, aber sich genauso lange auch schon sicher war, dass er im falschen Körper lebt. Er fühlte sich nicht wie eine Frau, sondern ein Mädchen, weil er dieses Gefühl, kein Junge zu sein, erstmals mit Beginn der Pubertät hatte. Weil er aus einem Dorf stammte und sich nie getraut hatte mit jemandem darüber zu reden, hatte er sich allem unterworfen, was man von ihm als jungem Mann erwartete. Er ging zur Bundeswehr, obwohl er die Rohheit seiner Kameraden fürchtete, hat sogar geheiratet, obwohl Sexualität für ihn ein schwieriges Thema war und er im Grunde unter jedem Verkehr mit seiner Frau litt.
Man kann es sich vorstellen, er fühlte sich, wie ein junges Mädchen, träumte von Jungs, aber schlief tatsächlich mit einer erwachsenen Frau. Hochkompliziert und sehr traurig. Denn er schrieb uns, dass er nun aufs Rentenalter zugehe und merke, dass er ein ganzes Leben gelebt hat, das im Grunde nicht seines war. Dass das nun dem Ende entgegen gehe und er fürchte, dass er sterben wird ohne einen einzigen Moment restlos glücklich gewesen zu sein. Wir haben den Kontakt zu ihm gesucht und ihm verschiedene Hilfseinrichtungen genannt, aber er hatte so eine große Angst, dass seine Geschichte auffliegen könnte, dass er all das abgelehnt hat. Das war schon sehr traurig und hat uns lange nicht losgelassen.
Ohne die Fakten schönzureden: Wie offen reden wir Deutschen wirklich über Sex?
Definitiv nicht offen genug. Wir reden ohne Scham über alle möglichen Gebrechen, aber wir thematisieren in der Regel nicht unser Sexleben. Man stelle sich vor, im Büro stehen die Kollegen in der Kaffeeküche zusammen und plaudern und eine sagt: „Leute ich fand diese Woche so stressig, ich musste mich jeden Abend selbstbefriedigen, um mich wenigstens einigermaßen zu entspannen!“ Sowas gibt es nicht und das ist schade, denn tatsächlich sind wir ja alle mehr oder weniger sexuelle Wesen und der Austausch darüber würde sicher viele Themen entschärfen und uns ein besseres Gefühl geben. Dadurch, dass wir selten darüber reden, tapsen wir ja alle oft im Dunkeln bei Fragen wie “Wie oft haben die anderen eigentlich Sex?”; “Ist es normal, dass man manchmal gar nicht feucht wird?”; “Sind Erektionsprobleme häufig oder selten?” Etc. pp.
Jetzt mal ehrlich: Darf man beim Sex heulen?
Auf jeden Fall! Sex ist emotional und wenn man sich total fallen lässt, dann kann es passieren, dass schonmal Tränen fließen. Manche kennen das auch vom Yoga. Das ist tatsächlich ein gutes Zeichen. Allerdings wäre es gut, den Partner oder die Partnerin kurz mitzunehmen: „Ich weine, weil es grade so schön war, sich so gut angefühlt hat“… Nicht, dass es noch Missverständnisse gibt und der andere denkt, er hätte etwas total Verkehrtes gemacht oder gesagt!

Lust, Fetische, weibliche Libido und alle anderen möglichen Themen: Ist euch zwischendrin auch mal etwas peinlich?
Irgendwann zu Beginn unseres Podcasts „Ladylike“ haben wir mal einen Swingerclub besucht, einfach, um zu sehen, was da so los ist und ob unsere Vorurteile bestätigt oder ad absurdum geführt werden. Als wir dort vor der Tür standen haben wir ziemlich lange gebraucht, um zu klingeln, weil es uns so peinlich war. Nach sechs Jahren Podcast, einem Buch über Sex und einer Podcast-Show über Sex gibt es eigentlich nichts mehr, was uns unangenehm ist. Wir besprechen alles. Unsere Hörer*innen haben auch ein Recht darauf auf Augenhöhe angesprochen zu werden, wenn sie uns schreiben. Wir nehmen alles ernst und versuchen uns in das jeweilige Problem oder die Situation hinein zu fühlen. Sex ist, egal in welcher Form, eigentlich nie peinlich, sondern immer menschlich.
Was können wir von euch noch über Sex lernen?
Wir sollten aufhören uns selbst ständig verbessern zu wollen. Dieser Optimierungswahn tut uns nicht gut. Sex wird nicht dadurch besser, dass man im Bett verrückte Dinge tut oder es stundenlang treibt. Sex wird besser, wenn man sich selbst mit Liebe begegnet. Sich an seinem eigenen Körper freut, weiß, was man mag und was nicht. Dann kann man das auch mit dem ausreichenden Selbstbewusstsein einem anderen vermitteln. Selbstliebe und reden, reden, reden sind die wichtigsten Bausteine für guten Sex. Es gibt keine Standards, die man im Zusammenhang mit Sex erfüllen muss. Wenn sich beide damit gut fühlen, dann ist es gut.
Sollten Frauen auch mal Schwulenpornos schauen? Und wenn ja, warum?
Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert. In mainstreamigen Hetero-Pornos ist es ja leider oft noch so, dass mit einer gewissen Herabwürdigung der Frau gearbeitet wird. Frauen werden darin oft zum Objekt gemacht, das benutzt wird. Viele Frauen haben daher Probleme damit, solche Streifen erregend zu finden – nachvollziehbar. In Schwulenpornos erlebt man oft eher Sex auf Augenhöhe. Zwei oder drei oder vier gleichwertige Partner die geben und nehmen und denen man ihre Erregtheit abkauft.
Wer sollte euer Buch unbedingt lesen?
Alle die Sex haben, die Sex haben wollen, die keinen Sex wollen oder die anderen Sex wollen. Das wäre wichtig!
Das Buch “Da kann ja jede kommen” (Blanvalet Verlag, 16 Euro) kannst du in jeder Buchhandlung kaufen oder hier bestellen.
