Dicke Figuren werden in Büchern oft als böse oder unattraktiv beschrieben. Wir brauchen Identifikationsfiguren für Curvys in Büchern und eine bessere Medienrepräsentation.
An einem regnerischen Tag mit einem Buch eingekuschelt auf der Couch zu sitzen, ist eine der Freuden, die das Lockdown-Leben zu bieten hat. Romane wie die von Lucinda Riley oder Charlotte Jacobi erfreuen sich in den letzten Jahren immer größerer Beliebtheit. Darin geht es um alte Anwesen, verborgene Geheimnisse und Frauen, die sich in einer altmodischen Gesellschaft durchsetzen müssen. Die Heldinnen reisen in fremde Kulturen oder bauen sich unter den feindlichen Blicken von Männern eine Existenz auf. Klingt zumindest nach soft Feminismus, oder? Das kommt leider darauf an, wie man Feminismus definiert.
In vielen Büchern aus diesem Genre äußern sich die Figuren rassistisch. Man könnte vielleicht argumentieren, dass solche Aussagen der Zeit geschuldet sind, in der die Handlung spielt. Wenn es aber Figuren sind, die ansonsten sympathisch gezeichnet sind und in keiner Weise kommentiert wird, dass Rassismus Diskriminierung ist, sind solche Aussagen problematisch. Das mag vielleicht unverständlich sein, wenn man nicht persönlich betroffen ist. Man muss in solchen Büchern aber nicht lange suchen, um sich auch selbst persönlich angegriffen zu fühlen.
Ideale aus dem 19. Jahrhundert reloaded
Wenn man die Bücher von Kate Morton liest, bleibt man verschont von diskriminierenden Aussagen. In diesem Genre schreibt sie wohl die emotionalsten, nahbarsten und empathischsten Bücher. Die Figuren in ihren Romanen werden oft als unkonventionell schön beschrieben – was auch immer das bedeuten mag. Aber damit propagiert sie zumindest keine Schönheitsideale oder dass man vom Aussehen auf die Persönlichkeit eines Menschen schließen könnte. Anders sieht das beispielsweise in der Tuchvilla von der deutschen Autorin Anna Jacobs aus.
Die Vorstellung, dass gute Charaktere schön und böse Charaktere hässlich sind, war zum Beispiel in den Märchen der Gebrüder Grimm sehr präsent. Nur schrieben sie in einer Zeit, die noch keine der psychologischen Höhenflüge war. Dass die Tiefe der menschlichen Psyche anhand von Figuren geschildert wurde, begann erst schleichend am Anfang des 19. Jahrhunderts mit der Romantik.
Abgenommen, Verlobt, Verheiratet
Dass in einem aktuellen Roman wie der Tuchvilla noch solche Aussagen getroffen werden wie, dass die Protagonistin fett und weiß wie eine Made sei und von der Hauptfigur deshalb als hässlich abgestempelt wird, ist nicht nur antiquiert, sondern auch schlichtweg diskriminierend. Die dicke Figur wird als unsympathisch beschrieben und verhält sich anderen Menschen gegenüber manipulativ und boshaft. Damit steht sie im Kontrast zur ätherischen Schönheit und Gutmütigkeit ihrer – dünnen – Schwester. Bestenfalls muss man bei so etwas gähnen oder man wird eben verständlicherweise wütend.
Und auch hier gilt das Argument „Das war halt eine andere Zeit“ oder „Die Autorin hat das sicher nicht böse gemeint“ nicht, weil die Hauptfigur, die vermutlich als Identifikationsfigur gedacht ist, die dicke Figur negativ beschreibt. In Douglas Schwestern kämpft eine der Hauptfiguren mit ihrem Gewicht und ist besorgt darüber, dass sie deshalb keinen Mann finden könnte. Mit beiläufigen Kommentaren wird erwähnt, wie sie im Laufe des Buches abnimmt und am Schluss ihren Traumprinz für sich gewinnt. Wie progressiv.
Curvys in Büchern? Ja bitte!
Man kann nicht leugnen, dass es leider oft so ist, dass curvy Frauen auf ihren Körper reduziert werden und dass Dating oft von der Angst begleitet ist, man könnte aufgrund des eigenen Gewichts abgelehnt werden. Aber wenn das die einzige Narrative ist, die von curvy Frauen erzählt, dann wird sich daran auch nichts ändern. Wir brauchen keine dicken Sidekicks, die keinen Mann abbekommen. Was wir brauchen sind Curvys in Büchern. Und zwar komplexe Hauptfiguren, die kurvige Frauen repräsentieren als das, was wir sind: individuelle Menschen.
Dass dieses Genre nicht ausschließlich fragwürdige Werte vermittelt, zeigt ein neu erschienener Roman von der Engländerin Jane Healey. Die stummen Wächter von Lockwood Manor erzählt die Geschichte von Hetty Cartwright, die mit der Sammlung des Londoner Natural History Museum wegen des heraufziehenden Kriegs ins verfallene Herrenhaus Lockwood Manor zieht. Ohne zu viel zu verraten: Dieser Roman macht einiges anders als seine etwas verstaubten Pendants. Es gibt keine rassistischen oder fettfeindlichen Kommentare. Es wird einfühlsam auf zwei Thematiken hingewiesen, die uns alle betreffen: Feminismus und wie man damit umgeht, nicht in die Norm der Zeit zu passen.
Weiter feministische Bücher findest du hier: “Girl Power – die besten Bücher über Feminismus“.