Der Grund dafür sollen die Designer-Stühle sein.
Klingt zunächst wie ein Scherz, ist aber leider wahr. Die Hotelbesitzerin Angelika Hargesheimer des Beachhotels Sahlenburg in Cuxhaven will keine dicken Gäste in ihrer Unterkunft willkommen heißen. Das selbe gilt übrigens für Kinder und Raucher. Schon bei der Buchung weist das Hotel darauf hin, dass das Interieur für Menschen mit einem Körpergewicht von mehr als 130 kg aus Haftungsgründen nicht geeignet ist. Gegenüber der dpa sagte Hargesheimer: “Grund für den Hinweis auf der Homepage sei ein zusammengebrochenes Hotelbett gewesen, in dem ein übergewichtiger Gast geschlafen habe. Der Mann habe auf Schadenersatz geklagt. Die Parteien haben sich jedoch außergerichtlich geeinigt. Weitere dicke Hotelbesucher sollen sich über die zu engen Duschen, kleinen Zimmer und unbequemen Stühle im Frühstücksraum des Design-Hotels beschwert haben.
Apropos Stühle: die sind offenbar der Stein des Anstoßes in dieser befremdlichen Geschichte. Denn noch absurder, als übergewichtige Gäste auszuschließen, ist die Begründung der Hotelbesitzerin. Dem Regionalmagazin “buten un binnen” sagte sie: “Sie haben ja unten die Designerstühle gesehen, das sind richtige Klassiker. Wenn sich da eine Person von über 130 Kilogramm draufsetzt, die sitzt da mit einer Pobacke drauf und der Stuhl hält das auch nicht lange aus. Ich möchte aber ein Designer-Hotel haben, also ich möchte schöne Möbel haben – und nicht so Eiche brutal.”
Für viele, auch für uns, ein klarer Fall von Diskriminierung. Auch Plus Size Bloggerin Julia Kremer ist schockiert und findet klare Worte: “Was soll das? Wieso darf sich eine Person 2020 noch so äußern? Die Hotelbesitzerin ist sich scheinbar im Klaren, dass sie für ihre sehr verletzenden Worte nicht angeprangert wird, und deswegen traut sie sich, sich in aller Öffentlichkeit diskriminierend über diese Personengruppe zu äußern.”
Doch Angelika Hargesheimer findet ihre Aussage keineswegs diskriminierend und geht sogar noch einen Schritt weiter: “Ich finde es persönlich diskriminierend, dass ich so einen Anblick ertragen muss – ehrlich gesagt. Und ich weiß, wenn ich dick bin, dass da was nicht stimmt. Und es hat auch nicht jeder was mit der Schilddrüse”, so die Hotelchefin zu buten un binnen.
Die Veröffentlichung der Aussage der Hotel-Betreiberin löste einen regelrechten Shitstorm im Netz aus. Dass auch dicke Menschen eine Lobby haben, damit hat die Hotelbesitzerin wohl nicht gerecht und versuchte gegenüber der dpa zurückzurudern, sie habe lediglich falsche Erwartungen vermeiden wollen. “Die Gäste sollen ihren Aufenthalt genießen können.“ Ihr liege es fern, Menschen zu diskriminieren. Reichlich späte Erkenntnis und nach ihrer vorangegangen Aussage und auch nicht wirklich glaubwürdig.
Das Schlimmste jedoch ist, dass die Hotelbetreiberin für ihre krassen Aussagen nicht einmal belangt werden kann. Im deutschen Antidiskriminierungsgesetz ist von Übergewicht keine Rede. Sebastian Bickerich von der Antidiskriminierungs-Stelle des Bundes gegenüber BILD: “Der Gesetzgeber sollte prüfen, ob der in Deutschland recht eng gefasste Katalog der geschützten Merkmale ausgeweitet beziehungsweise präzisiert werden sollte.” Dieser Meinung ist auch Natalie Rosenke von der Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung: “Ein rechtlicher Schutz vor Gewichtsdiskriminierung ist überfällig!” (Quelle: BILD)
Auch wir hoffen natürlich, dass bald ein Umdenken in diese Richtung stattfindet. Denn dieser Fall zeigt nur einmal mehr, wo wir bei der Bekämpfung von Dicken-Diskriminierung stehen. Sie ist allgegenwärtig, in den profansten Alltagssituationen. Der Gang zur Eisdiele, ein Besuch im Schwimmbad oder einfach die Straße in einer kurzen Hose entlang schlendern, wird für Dicke schnell zum Spießrutenlauf. Davon kann auch Julia Kremer ein Lied singen: “Wenn ich einen E-Scooter nehme, um schneller ans Ziel zu kommen, höre ich die Leute tuscheln “Jetzt müssen die Fetten sich gar nicht mehr bewegen”, wenn ich draußen ein Eis esse, werde ich kopfschüttelnd angesehen. Beim Arzt wird mir nicht zugehört, sondern sofort gesagt: “Du musst abnehmen.””, so die Bloggerin.
Schnell ist gesagt: “Die kann doch abnehmen.” Doch jeder, der schon einmal mit Übergewicht zu kämpfen hatte, weiß, dass dies eine sehr oberflächliche Sichtweise ist, die auch das grundlegende Problem nicht löst. Die Herabwürdigung von Menschen aufgrund von Körpermerkmalen, Hautfarbe, sexueller Orientierung oder was auch immer, ist schlichtweg ein Verhalten, das in unserer Gesellschaft keinen Platz haben darf. Denn es macht es Menschen nicht nur unmöglich, ein freies, unbeschwertes Leben zu führen, es kann auch gesundheitliche Folgen mit sich bringen, weiß auch Natalie Rosenke: “Gewichtsdiskriminierung belastet dicke Menschen nicht nur in dem Moment, wo sie die Diskriminierungserfahrung machen, sondern dauerhaft. Sie vermittelt ein Gefühl der Minderwertigkeit und stellt das Recht auf die eigene Existenz infrage. Sie ist damit fruchtbarer Boden für depressive Zustände.” (Quelle: BILD)
Auch Julia Kremer hat sich lange dafür geschämt nicht schlank zu sein. Mit der Zeit hat sie jedoch gelernt, ihren Körper so anzunehmen, wie er ist. Heute macht sie den Mund auf und macht darauf aufmerksam, dass es einfach nicht in Ordnung ist, Übergewichtige zu beleidigen und zu ignorieren. Und genau das müssen wir alle tun: Den Mund aufmachen, laut sein, sich Gehör verschaffen. Wir haben alle eine Stimme, nutzen wir sie.